Viele Menschen werden melancholisch, wenn sich der Herbst bemerkbar macht. Doch Fachleute zweifeln inzwischen am Herbstblues: Dunkelheit sei auch eine Sache der Wahrnehmung. Sie haben Tipps, um das Glück zu erlernen.
Die Tage werden kürzer, das Wetter kühler: Bei vielen Menschen geht in den Herbstmonaten die Stimmung nach unten. Mediziner warnen davor, Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit zu überschätzen. Die Deutsche Depressionshilfe erkennt zwar die Winterdepression als “saisonal bedingte Depression” an, die sich typischerweise im Herbst und Winter zeige. Meistens sei sie jedoch weniger schwer ausgeprägt als eine klassische Depression. Bei der Mehrzahl der depressiven Erkrankungen im Winter handle es sich zudem gar nicht um Winterdepressionen.
Laut Forschern ist das persönliche Wohlbefinden zu großen Teilen unabhängig von äußeren Faktoren. “Die dunklen Monate sind zwar ungemütlicher, kälter und regnerisch”, sagt Tobias Rahm, Psychologe und Glücksforscher an der Technischen Universität Oldenburg. “Es gibt aber auch regelrechte Herbstlovers und Winterlovers.”
Skandinavische Länder belegen – trotz langer Winter – im World Happiness Report regelmäßig die obersten Plätze: Finnland ist laut dem Report dieses Jahres das glücklichste Land der Welt. Direkt dahinter folgen Dänemark, Island und Schweden. Herbst und Winter werden hier vielerorts auch positiv bewertet und gelten als Jahreszeit der Gemütlichkeit, der dänischen “Hygge”: Der Winter gibt nach dieser Vorstellung Raum, entspannte Zeit mit Freunden und Familie zu verbringen – und nach dem ereignisreichen Sommer einen Gang herunterzuschalten.
Laut Forschern hat das nicht nur mit vergleichsweise hohen Lebensstandards zu tun. Menschen hätten auch unterschiedliche Vorstellungen von Glück – und bewerteten deshalb die kalte Jahreszeit unterschiedlich. “Glück besteht aus vielen positiven Gefühlen und einer großen Lebenszufriedenheit”, sagt Rahm. “Für die einen bedeutet Glück: Zeit mit Freunden verbringen, für andere Zeit und Erholung – und für wieder andere: Sonnenschein.”
Wie kommt es aber zu diesen unterschiedlichen Vorstellungen? Teilweise sei Glück Erziehungssache. “Ein Stück weit beruht unser Glück auf Verhaltensmustern in unserer Kindheit”, sagt Rahm. “Wir können in unserer Jugend lernen, schöne Dinge als schön wahrzunehmen.” – Oder auch nicht. Das bedeute allerdings zugleich, dass sich Glück auch später, im Erwachsenenalter, noch erlernen lasse.
Ein erster Schritt sei es, eigene Gewohnheiten zu verändern und festgefahrene Vorstellungen zu reflektieren. “Gedanken und Verhalten bedingen einander”, sagt Rahm. “Wenn ein Mensch die absolute Haltung hat, dass alles im Winter doof ist, dann verhält er sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch lustlos.” Positive Aspekte gingen dann schnell unter.
Psychologinnen und Psychologen arbeiten hier teilweise mit dem Prinzip des Gedankenstopps: Es gibt nicht nur Schlechtes im Winter. “Man kann die Jahreszeit auch wertschätzen”, sagt Rahm. Dass im Winter manches langsamer abläuft und Menschen mehr Zeit drinnen verbringen, lässt sich auch positiv interpretieren: Es gibt mehr Zeit für sich selbst, abends kann man sich zurücklehnen, mit anderen Menschen einen Tee trinken oder einen Podcast hören.
Rahm rät dazu, besonders im Herbst und im Winter auf eine ausgewogene Ernährung zu achten, aktiv zu bleiben und Zeit mit anderen Menschen zu verbringen. “Wenn Sie alleine auf dem Sofa hängen bleiben, dann helfen auch die besten Glückstipps nicht”, sagt er. Besonders interaktive Sportarten wie Tanzen und Teamsport könnten dabei helfen, das Winterloch zu überwinden.
Wichtig sei dabei, nicht zu hohe Erwartungen zu setzen. “Der Trend geht dahin zu sagen: Es gibt nichts Negatives, du musst nur positiv denken und die Dinge nur in einem anderen Licht sehen”, sagt Rahm. Das sei nicht machbar und führe schnell zu Frust. Effektiver sei es, negative Gedanken durch realistische und ausgewogene Gedanken zu ersetzen. “Ein Stück weit dürfen wir den Winterblues auch zulassen”, sagt Rahm. “Die dunkle Zeit geht auch wieder vorbei.”