Venezuelas Oppositionsführerin María Corina Machado kann begeistern – obwohl sie gar nicht zur Wahl steht: „Maduro ist Vergangenheit“, ruft Machado von der Ladefläche eines Pickups herunter. Dabei hält sie ein Plakat des gemeinsamen Oppositionskandidaten Edmundo González in die Höhe. Der unscheinbar wirkende 74-jährige Ex-Botschafter ist als Ersatzkandidat eingesprungen. Im Land ist er weitgehend unbekannt. Doch Machado feuert ihre Anhänger an. „Edmundo presidente“, ruft die Menge lautstark zurück.
Seit 25 Jahren regiert die sozialistische Partei PSUV das südamerikanische Land, elf Jahre davon ist Nicolás Maduro an der Macht. Der ehemalige Busfahrer strebt bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag (28. Juli) eine dritte Amtszeit an.
Würde tatsächlich das Volk entscheiden, hätte Maduro wohl keine Chance: In allen seriösen Umfragen führt die Opposition, mal mit 20, mal mit 30 Prozent Vorsprung. Die große Frage ist, ob die Sozialisten bei einer möglichen Niederlage die Macht aus der Hand geben – und auf wessen Seite das Militär steht.
Die 56-jährige Machado galt lange als zu radikal, inzwischen ist sie die größte Hoffnungsträgerin der Opposition. Obwohl sie die Vorwahlen mit rund 90 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, darf sie nicht als Präsidentschaftskandidatin antreten: Sie wurde wegen fadenscheiniger Gründe mit einem 15-jährigen Ämterverbot belegt. Trotzdem tourt sie quer durchs Land und macht Wahlkampf für González, der sich eigentlich schon in den Ruhestand verabschiedet hatte. Überall dort, wo Machados Konvoi auftaucht, wird sie mit Jubel begrüßt. Menschen schenken ihr Rosenkränze und beten für sie.
Die Regierungsanhänger versuchen alles, um den Wahlkampf der Opposition zu stören. Allein in den vergangenen Wochen wurden mehr als 70 Wahlhelfer festgenommen. Fast immer muss der Wahlkampftross mit Machado Umwege fahren: Baumstämme, plötzliche Baustellen oder Checkpoints versperren den Weg. Restaurants und Unterkünfte, in denen sie und ihr Team sich aufhielten, wurden geschlossen.
Wenn Machado gefragt wird, ob sie an eine friedliche Machtübergabe glaubt oder Angst vor einem Blutvergießen hat, wählt sie ihre Worte mit Bedacht: „Das Regime hat seine soziale Basis verloren“, sagt sie. Auch Polizisten und Soldaten hätten Mütter, Ehefrauen und Kinder, die leiden. Lange hatte sich die Opposition gestritten, ob Maduro und hohe Militärs für die begangenen Menschenrechtsverbrechen zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Jetzt sagt Machado, dass sie allen Venezolanern die Hand reiche. Ihr gehe es um Frieden und Versöhnung.
Auch Maduro, der sich in den vergangenen Jahren aus Angst vor einem Attentat kaum aus der Hauptstadt Caracas herauswagte, ist im Land unterwegs und verteilt Wahlkampfgeschenke. Der hünenhaft wirkende Staatschef gibt sich volksnah, tritt meist in Trainingsjacke und Basecap auf. Seine Botschaft ist simpel: Er präsentiert sich als verlässlicher Landesvater in stürmischen Zeiten. „Wenn wir ein Blutbad oder einen von den Faschisten ausgelösten brudermörderischen Bürgerkrieg vermeiden wollen, dann müssen wir den größten Wahlsieg aller Zeiten haben“, ruft er aus. Der Opposition wirft er vor, wahlweise aus den USA oder von Drogenbanden bezahlt zu sein.
Das einst wohlhabende Venezuela ist wirtschaftlich ruiniert. Zeitweise hatte das Land die höchste Inflationsrate der Welt. Das Gesundheits- und Bildungswesen ist am Boden, Strom und Wasser gibt es oft nur wenige Stunden am Tag. Rund acht Millionen Menschen, etwa ein Viertel der Bevölkerung, sind vor der wirtschaftlichen und humanitären Krise aus dem Land geflohen.
Im Oktober vergangenen Jahres hatten Opposition und Regierung ausgehandelt, dass die Wahlen abgehalten werden. Im Gegenzug lockerten die USA ihre Sanktionen gegen Venezuela teilweise. Eine Bedingung waren internationale Wahlbeobachter. Doch im letzten Moment lud Venezuela eine EU-Wahlbeobachtermission wieder aus. Ein Teil der Lockerungen wurde nach dem Ausschluss von Machado wieder zurückgenommen.
Besorgte Stimmen aus den Nachbarländern werden jetzt laut und warnen vor Wahlbetrug. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva forderte Maduro öffentlich auf, das Wahlergebnis zu akzeptieren. Er sei erschrocken über Maduros Hinweis auf ein mögliches Blutbad nach den Wahlen, sagte Lula.