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Wachsender Vandalismus: das Ende der offenen Kirchen?

Immer mehr Kirchen und religiöse Einrichtungen in Niedersachsen sind Opfer von Vandalismus. Erste Gemeinden ziehen Konsequenzen.

Vor elf Jahren wurde die Willehadi-Kirche in Garbsen Opfer von Brandstiftung und musste neu gebaut werden
Vor elf Jahren wurde die Willehadi-Kirche in Garbsen Opfer von Brandstiftung und musste neu gebaut werdenGünter Seeber

Erst verwüsten Jugendliche die St.-Johannis-Kirche in Uslar und stecken dabei fast die Orgel in Brand. Und dann steht vor wenigen Tagen tatsächlich eine Kirchenimmobilie in Flammen, nämlich das Pfarrhaus im benachbarten Bodenfelde. „Es ist heftig, was hier gerade passiert“, sagt die Uslarer Pastorin Astrid Jasper. Ob es sich bei dem Feuer allerdings um Brandstiftung handele, sei offen.

Die Kirchen im Westen des Kirchenkreises Leine-Solling scheinen derzeit von einer Welle von Vandalismus heimgesucht zu werden. Mitte Juli war bereits die Bodenfelder Christus-Kirche Zielscheibe von Zerstörungswut. „Der Altar war mit Hakenkreuzen beschmiert, und die Toilette war von einer dicken Kerze verstopft“, erzählt die ehemalige Gemeindesekretärin Susanne Otte. „Es ist schlimm. Wohin soll das führen?“

Viele Menschen in der Gegend müssen jetzt auch an die Kirche in Wahmbeck denken, einer Ortschaft von Bodenfelde, die vor einigen Jahren in Brand gesteckt wurde, nachdem sie erst für einige Zehntausend Euro renoviert worden war. Sie musste daraufhin erneut saniert werden.

Polizeistatistik erfasst keine Kirchen als Tatorte

Auch in anderen Regionen klagen Gemeinden immer wieder über zerstörte Kirchenfenster und Hakenkreuz-Schmierereien. Von einem landesweiten Trend bei Vandalismus gegen Kirchen und religiöse Einrichtungen will das Landeskriminalamt Niedersachsen jedoch nicht sprechen. Vor allem deswegen, weil der Tatort in den meisten Fällen von Brandstiftung oder Sachbeschädigung in der Kriminalstatistik nicht erfasst werde.

Anhand der Statistik lasse sich allerdings ermitteln, dass sich die Zahl der Straftaten zum Nachteil von religiösen Einrichtungen von 182 Fällen im Jahr 2020 auf 365 Fälle im Jahr 2023 rund verdoppelt hätten, so das Landeskriminalamt. Doch die Dunkelziffer sei vermutlich höher.

Gemeinde steht vor einer schweren Entscheidung

Die beiden Gemeinden in Bodenfelde und Uslar, die bisher tagsüber für Besuchende geöffnet waren, müssen jetzt Konsequenzen ziehen. „Früher gab es auch schon Diebstähle und Beschädigungen“, sagt die Uslarer Pastorin. „Wir hatten uns damit abgefunden, weil wir die Kirche offenhalten wollten, solange nichts Schlimmeres passiert.“ Jetzt sei der Fall eingetreten, und der Kirchenvorstand müsse eine Entscheidung treffen, wie es weitergehen soll, so Jasper. „Es ist schlimm, wenn Kirchen wegen Vandalismus schließen müssen.“

Mitunter könne jedoch auch aus Taten wie diesen noch Gutes erwachsen, sagt Yoo-Jin Jhi. Er ist Pastor an der Willehadi-Kirche in Garbsen, die vor einigen Jahren niedergebrannt ist und für rund vier Millionen Euro neu errichtet werden musste. „Das war traumatisch für die Gemeinde“, so der Pastor. Doch sie habe viel Zuspruch erfahren und eine neue Kirche bauen können. „Es ist etwas entstanden. Das ist doch immerhin etwas Positives.“