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Vor 125 Jahren: Gangsterboss Al Capone wird geboren

Das Viertel, in dem der legendäre Ganove Al Capone seine ersten Schritte vom Klein- zum Großkriminellen machte, gilt heute als eines der sichersten in New York. Das Verbrechen blüht andernorts weiter.

Strahlend weiß steht sie da in New Yorks Stadtbezirk Brooklyn: die Kirche St. Mary Star of the Sea. Als Alphonse Capone in dem katholischen Gotteshaus am 30. Dezember 1918 seine Braut Mary “Mae” Josephine Coughlin ehelichte, hatte der Gentleman im hellen Anzug längst keine weiße Weste mehr.

Prügeleien in Straßengangs, Handlanger von Unterweltgrößen wie Johnny Torrio und Frankie Yale, dem “Prince of Darkness”, wilde Partys in Bars und Bordellen: Das war die Welt, zu der sich Al Capone immer mehr hingezogen fühlte, nachdem er mit 14 die Schule geschmissen hatte.

Zu Beginn seiner zweifelhaften Karriere wirkte Capone, vor 125 Jahren, am 17. Januar 1899, als Spross einer aus Neapel eingewanderten Familie in Brooklyn geboren, eher unscheinbar. “Freundlich, mit sanfter Stimme”, allerdings stets “ein sehr gut angezogener Kerl” und “ausgezeichneter Tänzer”, lautete ein Urteil. Nach außen bemühte sich Al um Seriosität. Sein Brotjob in einer Papierfabrik bescherte ihm den ersten Kontakt zu der irischstämmigen Mae.

Kurz vor seiner Hochzeit kam Capone zu seinem Erkennungszeichen: eine Narbe auf der linken Gesichtshälfte, zugefügt von einem gewissen Frank Gallucio. Dessen Schwester hatte Capone zuvor mit den Worten begrüßt: “Schatz, du hast einen schönen Hintern, und das meine ich als Kompliment.” Gallucio fackelte nicht lange und stach mit einem Messer oder dem abgeschlagenen Teil einer Flasche zu. Fortan firmierte Capone unter “Scarface” (“Narbengesicht”).

Mit dem von Johnny Torrio und Frankie Yale eingefädelten Umzug nach Chicago im Januar 1920 stieg der Kleinkriminelle Al endgültig in das organisierte Verbrechen ein. Die Rahmenbedingungen hätten nicht besser sein können. In der rasant wachsenden “windy city” blühte die Korruption. Zudem wurde die Metropole zu einer Drehscheibe für Glücksspiel, Prostitution – und den Handel mit Alkohol. Der war zwischen 1920 und Anfang der 30er-Jahre in den USA verboten.

Anstatt die Amerikaner trocken zu legen, trug die “Prohibition” dazu bei, dass Capone und Konsorten die Speakeasy genannten Flüsterkneipen flüssig hielten und bald selbst im Geld schwammen. Schätzungen zufolge erzielte Al Capones Verbrechersyndikat Einnahmen im heutigen Gegenwert von 1,5 Milliarden US-Dollar – pro Jahr. Konkurrenten und Widersacher ließ er gnadenlos aus dem Weg räumen, darunter auch seinen kriminellen Ziehvater Frankie Yale.

Das Ganze kulminierte im “Valentinstag-Massaker”, bei dem als Polizisten verkleidete Killer Capones am 14. Februar 1929 sieben Männer einer verfeindeten Gang exekutierten. Damit hatte Al, der sich zum Tatzeitpunkt in seiner kurz vorher erworbenen Villa in Miami aufhielt, den Bogen endgültig überspannt. Der Druck auf die Behörden wuchs, etwas gegen den “Staatsfeind Nr.1” zu unternehmen, der seinerseits nicht müde wurde zu beteuern: “Ich gebe mich nicht als Säulenheiligen aus, aber ich habe nie jemanden getötet.”

Auf der berühmt-berüchtigten Gefängnisinsel Alcatraz landete Capone schließlich nicht wegen Mordes, sondern wegen Steuerhinterziehung. Im Knast häuften sich Wahnvorstellungen und Anflüge von Größenwahn, Folgen einer Syphillis-Erkranklung, die er sich schon vor seiner Hochzeit zugezogen hatte. Nach seiner vorzeitigen Entlassung 1939 verschlechterte sich sein Zustand rapide. “Er summt, pfeift und singt fortwährend, während er im Gespräch ist”, notierten FBI-Beamte, die ihn überwachten. Am Abend des 25. Januar 1947 starb der Gangster im Kreis seiner Familie.

Als pervertierte Version des amerikanischen Traums vom Tellerwäscher zum Millionär beschreibt Alfred Hornung in seiner 2021 erschienenen Biografie den Aufstieg Al Capones. Als Mythos schlachtete vor allem die Filmindustrie das Leben des Gangsterbosses aus – die Kriminalität hat unterdessen längst andere Dimensionen erreicht. “Lass es uns doch wie Al Capone machen”, schlägt der kolumbianische Drogenbaron Pablo Escobar in der auf tatsächlichen Begebenheiten beruhenden Serie “Narcos” seinem Kompagnon Carlos vor. “Lass uns das Geld einfach waschen.” Idiotisch findet das Carlos. “Al Capone hatte nie so viel Geld wie wir.” Darauf Escobar: “Dann bauen wir eben eine größere Waschmaschine.”