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Von Wörtern, die fast jeder falsch schreibt, und ihren Regeln

Auch wer eine sichere Rechtschreibung hat, weiß mitunter manchmal nicht genau, wie etwas geschrieben wird – zumal, wenn sich die Regel nicht auf den ersten Blick erschließt. Eine Betrachtung zum neuen Schuljahr.

Das wichtigste Lernziel in der Schule? Das ist laut einer Allensbach-Umfrage von 2019 für mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland die “gute Beherrschung von Rechtschreibung und Grammatik”. Indes: Es ist ein Ziel, dessen Erreichen offenbar immer mehr Menschen alles andere als leicht fällt – jedenfalls machen Schülerinnen und Schüler laut Statistik und befragten Lehrern von Jahr zu Jahr mehr Rechtschreibfehler.

Ein kleiner Trost: Auch wer eine eigentlich sichere Rechtschreibung hat, weiß mitunter manchmal nicht (mehr) genau, wie etwas geschrieben wird – zumal wenn sich nicht alle Regeln auf den ersten Blick erschließen. Zum Beispiel: Rechenstunde und Zeichen-AG. Denkt man darüber nach, fragt man sich: Warum heißt es eigentlich nicht Rechnenstunde und Zeichnen-AG? Die Duden-Redaktion nennt diese Wörter “sprachliche Zweifelsfälle” – und hat unter diesem Titel einen eigenen Band veröffentlicht, der die Genese dieser Rechtschreibung erklärt.

Auflösung: Es liegt am mittelhochdeutschen Stamm der Wörter. Verben wie rechnen oder zeichnen lauteten mittelhochdeutsch “zeichenen” und “rechenen”. Sie hatten also die Verbstämme rechen- beziehungsweise zeichen-. Diese treten auch heute noch in zusammengesetzten Wörtern – den so genannten Komposita – als Erstglied auf. Und deshalb heißt es Rechenstunde und nicht Rechnenstunde, Rechenbuch und Rechenlehrer und eben auch Zeichenblock oder Zeichen-AG.

Der Duden hat eine ganze Liste solcher “schwierigen Wörter” zusammengestellt, die im Netz abrufbar ist. Diese beruht demnach auf der Erfahrung der Dudenredaktion, auf statistischen Analysen des Dudenkorpus, auf der Auswertung dessen, was Nutzerinnen und Nutzer in die Suchfunktion der Website eingeben sowie auf den Ergebnissen relevanter Publikationen.

Duden-Sprecherin Nicole Weffen findet besonders folgende Wörter “hübsch”, bei denen die Menschen “Wortbestandteile uminterpretieren” – und sich daraufhin ein Rechtschreibfehler einschleicht. So schreiben viele “naseweiß” statt – richtig – “Naseweis”.

Das Nomen stammt von dem mittelhochdeutschen “nasewīse” und bedeutete “scharf witternd”. Tatsächlich entstand der Begriff bei der Jagd – Hunden wurde im Mittelalter nämlich öfters eine “weise Nase” unterstellt, also Scharfsinn; mittlerweile wird es ironisch verwendet. Mit einer weißen Nase hat der heutige Ausdruck, der Vorwitz und Besserwisserei beschreiben soll, nichts zu tun.

“Einfallspinsel” statt “Einfaltspinsel” geht in eine ähnliche Richtung. Das Wort Einfaltspinsel ist eine Zusammensetzung aus Einfalt (“von schlichtem Geist”) und Pinsel, was früher eine Berufsschelte des Schusters war – mit “Einfall”, wie man glauben könnte, hat das Wort nichts zu tun.

Hartmut Pietsch leitet das Korrekturbüro Ruhr und liest täglich seitenweise wissenschaftliche Abhandlungen mit Blick auf Rechtschreibung, Zeichensetzung und Typographie gegen – von der Bachelor- bis zur Doktorarbeit. Er hat aufgrund dieser Erfahrung die Top 200 der Wörter zusammengestellt, die am häufigsten falsch geschrieben werden – und zwar in Texten “geübter Schreiber”.

Zu solchen typischen Fehlerwörtern gehören solche, die fälschlicherweise so geschrieben werden, wie man sie ausspricht – also etwa “brilliant” statt “brillant”. Ebenso zählen Wörter dazu, auf die man unbewusst gängige Rechtschreibregeln anwendet, die hier aber nicht passen (etwa “Tieger” statt “Tiger”, “Karrussell” statt “Karussell”). Auch findet man nach seiner Beobachtung auch fast 30 Jahre nach der Rechtschreibreform noch oft Anklänge an diese (“daß” statt “dass”).

“Die meisten dieser Rechtschreibfehler betreffen typische Merkwörter, also Wörter, deren Schreibung man sich einprägen muss, weil man diese nicht von der Aussprache oder einem Regelwissen ableiten kann”, erklärt Pietsch. Dabei seien auch Eselsbrücken durchaus hilfreich – wie etwa die vielen aus der Schule wohl noch bekannte, eingängige Floskel: “Wer nämlich mit h schreibt, ist …”.

Auch der E-learning-Anbieter Wortliga empfiehlt, für die korrekte Rechtschreibung persönliche Merksätze zu basteln – etwa bei “Adresse”: Da es im Englischen “address” heißt, übertrügen viele diese Schreibweise ins Deutsche. Dabei stammt der Begriff aus dem Französischen, von dem Wort “adresse”, wird also nur mit einem “d” geschrieben. “Schreib ‘Adresse’ so elegant wie die Sprache, aus der es kommt”, lautet die hilfreiche Eselsbrücke.

Bis 2021 gab es ein Sprachentelefon in Aachen, bei dem man einfach anrufen konnte, wenn man plötzlich nicht mehr sicher war, wie manche Wörter geschrieben werden und bis vor einem Jahr die Hotline der Duden-Redaktion. Auch professionelle Spracharbeiter wie Übersetzer oder Journalisten nutzten diesen Service. Mittlerweile hat diese Funktion das Internet übernommen; die meisten Menschen versuchen wahrscheinlich erst einmal durch “googeln” oder KI herauszubekommen, wie man etwas richtig schreibt – auch wenn das nicht immer zuverlässig ist.

Germanistin Yvonne Goldammer jedenfalls, die ein Sprachberatungsbüro im unterfränkischen Ebern betreibt, hat die Erfahrung gemacht, dass sie vor allem bei Streitfällen oder Bezügen innerhalb eines Textes besser helfen kann als Internet oder KI. Und manche Menschen wünschten sich auch einfach jemanden, der klar sagt, was richtig ist und was nicht – ohne verschiedene Möglichkeiten anzugeben.