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Von Fehlern, Vertrauen und Zuversicht

Am Ende ihrer Rede spricht Kirsten Fehrs betont leise. Die amtierende Ratsvorsitzende zitiert vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus dem Gedicht „Die neuen Tage“ des Theologen Klaus-Peter Hertzsch (1930-2015). „Wir wissen nicht, ob wir ans Ziel gelangen“, heißt es dort. Aber die wenigen Zeilen enden mit Gottvertrauen und Zuversicht: „Der Herr der Zeit geht alle Tage mit.“

In krisenhafter Zeit hat sich die 63 Jahre alte Hamburger Bischöfin bemüht, zum Start der Jahrestagung der EKD-Synode am Sonntag in Würzburg einen optimistischen Grundton zu setzen. Sie sparte dabei nicht mit Kritik an aktuellen politischen Entwicklungen, räumte aber zugleich auch Fehler ihrer Kirche beim Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt ein.

Die Theologin sagte zum Auseinanderbrechen der Ampel-Koalition wenige Tage zuvor, sie hoffe, dass Deutschland „politisch wieder Tritt fasst“. Demokratie lebe von stabilen Institutionen wie den Kirchen, sagte Fehrs und fügte hinzu: „Aber sie lebt auch von Vertrauen und von der Hoffnung, dass im zivilen Streit die beste Lösung gefunden werden kann.“

Ihre persönliche Vertrauensfrage will Fehrs am Dienstag in Würzburg stellen. Sie strebt bei der Neuwahl des Ratsvorsitzes die Übernahme des Spitzenamtes für die nächsten drei Jahre an, nachdem sie als Stellvertreterin der vor einem Jahr zurückgetretenen Annette Kurschus bislang kommissarisch an der Spitze der rund 18,6 Millionen deutschen Protestanten stand. Die Wahl von Fehrs gilt als sicher. Schon bei der Wahl von Kurschus 2021 war sie als mögliche Ratsvorsitzende gehandelt worden.

Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den USA nannte Fehrs in ihrem 45-minütigen Bericht an die 128 Synodalen bestürzend. Bei dem wiedergewählten Donald Trump seien „Gesetzesübertretungen, persönliche Beleidigungen, Unwahrheiten, rassistische und frauenfeindliche Äußerungen an der Tagesordnung“.

Gewohnt scharf kritisierte Fehrs am Sonntag den Ton in der aktuellen Debatte um Migration und Asyl. „Im Mittelpunkt stehen Abschreckung und Abschiebung: mehr Grenzkontrollen, mehr Rückführungen, die Streichung von Sozialleistungen und gleich des ganzen Grundrechts auf Asyl“, sagte die Theologin, die seit 2011 Bischöfin in Hamburg ist und 2015 erstmals in den Rat der EKD gewählt wurde. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, mahnte in einem Grußwort, Deutschland dürfe sich nicht vom Grundrecht auf Asyl verabschieden.

Mit Spannung wurde in Würzburg erwartet, wie Fehrs auf die Ereignisse von vor einem Jahr zurückblicken würde. Just zur damaligen Synodentagung in Ulm waren die Vorwürfe gegen Kurschus bekannt geworden, wonach sie über einen lange zurückliegenden Missbrauchsverdacht gegen einen Bekannten mangelhaft kommuniziert habe. Wenige Tage nach der Synode trat Kurschus nach zahlreichen Krisensitzungen kirchlicher Leitungsgremien als Ratsvorsitzende und westfälische Präses zurück.

Fehrs sagte: „Im Rückblick müssen wir sagen: Wir haben alle Fehler gemacht – nicht allein Annette Kurschus -, insbesondere im Bereich der internen Kommunikation.“ Unter anderem sei die Abstimmung zwischen der westfälischen Kirche und der EKD unzureichend gewesen.

Infolge des Rücktritts war es Fehrs zugefallen, im Januar die Ergebnisse der sogenannten ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie entgegenzunehmen. In der Studie zählten die Forschenden mindestens 1.259 Beschuldigte, darunter 511 Pfarrer, und mindestens 2.225 Betroffene. Daneben stellten sie aber auch Mängel im Umgang mit Missbrauchsfällen und Betroffenen fest.

„Wir haben diese Studie gewollt, wir haben sie initiiert und wir nehmen sie an, mit Demut“, sagte Fehrs damals. Die Ergebnisse der ForuM-Studie und Konsequenzen daraus sind am Montag Thema bei der Synodentagung. Am Sonntag räumte Fehrs ein: „Wir versuchen, glaubwürdig aufzuarbeiten und systemische Gefahren zu erkennen, wollen Menschen schützen. Dabei machen wir auch Fehler.“