Beffchen hier, Stola dort: Im liturgischen Gewand der Geistlichkeit ist die Kirchenspaltung der Reformation besonders augenfällig. Die lutherischen Reformatoren statteten ihre Prediger und Pastoren mit dem Gelehrtengewand der Zeit aus – und brachen so bewusst mit den traditionellen spätantiken Bekleidungselementen der römischen Papstkirche.
Geistliche Tracht entwickelte sich langsam
In den ersten Jahrhunderten des Christentums gab es noch keine ausgemachte Priestertracht, die sich von der Kleidung römischer Bürger unterschieden hätte. Das belegt noch ein Mosaikbild in der Kirche San Vitale in Ravenna aus dem Jahr 547. Tunika (Unterkleid), Zingulum (Gürtel), Stola (Schal) und Dalmatik (Obergewand): Das trug der Römer von Trier bis Konstantinopel.
Offenbar mit wachsendem Standesbewusstsein entwickelte sich dort, im „Rom des Ostens“, unter Kaiser Justinian (527-565) eine prächtige, sehr farbige Variante als byzantinisches Bischofsgewand – gezeigt auf einem Mosaik in der damals topmodernen Hagia Sophia. Mit der verlorenen Internationalität des Römischen Reiches entstanden über die Jahrhunderte regionale Moden, so dass auch die geistliche Tracht der Priester und Bischöfe in Ost- und Westkirche allmählich, aber stetig auseinanderliefen.
Erstmals zeigen die Mosaiken im Markusdom in Venedig aus dem 11. Jahrhundert geistliche Kopfbedeckungen. Rund 200 Jahre später ist dann der ausgefächerte liturgische Kleider-Kanon der katholischen Kirche des Westens weitestgehend abgesteckt; seitdem gibt es nurmehr Variationen im Aufwand und im Stil der Zeit.
Gemäß seinem theologischen und reformerischen Anspruch vollzog das Luthertum im 16. und 17. Jahrhundert eine radikale Abkehr von textilem Pomp und Accessoires. Signifikant ist die Verwendung des zeitgenössischen Gelehrtengewandes: schwarzer Talar und weiße Halskrause. Diese Krause aus gestärktem Leinen, auch Wagenrad, Mühlstein oder Duttenkragen genannt, gehörte damals zur gehobenen Ausgehkleidung. Von Spanien und den Niederlanden aus verbreitete sie sich in ganz Westeuropa. Eine landläufige und wohl gewagte Interpretation über den Zweck dieser teils sehr ausladenden „Kröse“ mit ihren komplizierten Rüschen ist eine bewusste Trennung von Körper und Geist. Zwingender scheint die Auslegung, dass sie in einer Zeit gepuderter Perücken dem Schutz der kostbaren Gewänder vor Bestäubung diente.
Während der unbequeme „Mühlstein“ in Frankreich schon ab Ende des 16. Jahrhunderts durch einen flachen Kragen aus Leinen oder Spitze ersetzt wurde, hielt er sich in Norddeutschland und Skandinavien als Teil bürgerlicher und kirchlicher Amtstrachten. In den dortigen Hansestädten gehört er noch heute zum Talar lutherischer Pastoren und Bischöfe, ebenso – an Festtagen – in den deutschen Gemeinden Siebenbürgens. In vielen protestantischen Regionen begnügt man sich freilich auch mit zwei rund zehn Zentimeter langen weißen Leinenstreifen am Hals, „Beffchen“ genannt. Der muntere Name stammt vom lateinischen „biffa“ (Halsbinde), seine Tradition aus dem 17. Jahrhundert.
Evolutionstechnisch gesprochen, ist das Beffchen ein atavistisches Überbleibsel des Mühlsteinkragens. Wie so viele geistliche heutige Attribute lutherischer und katholischer Kleidung hat es seinen Ursprung in der bürgerlichen Kleidung der Zeit. Ab etwa 1680 trugen es Männer in protestantischen Regionen, dem französischen Jabot (Spitzenlätzchen) vergleichbar. Amtstracht des lutherischen Pfarrers wurde das Beffchen erst durch Königlich-Preußische Kabinettsordre Friedrich Wilhelms III. vom 20. März 1811. Bis ins 19. Jahrhundert trugen übrigens auch bestimmte katholische Geistliche Beffchen, allerdings schwarze oder violette.