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Vom rechten Außenseiter zum Präsidenten Chiles: José Antonio Kast

Mit dem neu gewählten Präsidenten José Antonio Kast kehrt Chile nach rechts zurück – so weit wie seit dem Ende der Pinochet-Diktatur 1990 nicht mehr. Mit 58 Prozent der Stimmen hat der ultrarechte Kast die Präsidentschaftswahl gegen seine Kontrahentin, Jeannette Jara, die frühere Arbeitsministerin der amtierenden Linksregierung gewonnen.

Der 59-jährige José Antonio Kast ist der jüngste Sohn eines nach dem Zweiten Weltkrieg nach Chile geflüchteten NSDAP-Mitglieds. Sein älterer Bruder Miguel bekleidete mehrere Ministerposten unter Diktator Augusto Pinochet, der von 1973 bis 1990 das Land beherrschte. Kasts eigene politische Laufbahn begann als Gemeinderat im ländlichen Buin, nahe der Hauptstadt Santiago de Chile. 2002 wurde er für die rechte Partei Unión Demócrata Independiente (UDI) ins Parlament gewählt. Die UDI entstand während der Diktatur und gilt als dessen ideologische Fortsetzung.

#2017 trat Kast das erste Mal zur Wahl an

Mit der Rückkehr zur Demokratie mäßigte sich allerdings der Diskurs der UDI. Ab den 2010er Jahren distanzierten sich führende Parteimitglieder von der Diktatur und den begangenen Menschenrechtsverletzungen.

2016 verließ Kast die UDI im Streit. Sie habe ihm die Präsidentschaftskandidatur verweigert und vertrete „nicht mehr die Ideale, die wir immer verteidigt haben“, schrieb Kast damals in einem offenen Brief. Seine erste parteiunabhängige Kandidatur im Jahr 2017 war klar rechtsextrem ausgerichtet. Mit der Forderung, das Militär für die innere Sicherheit einzusetzen, brach Kast ein Tabu. Zudem versprach er die Rücknahme des im selben Jahr eingeführten Abtreibungsrechts bei Vergewaltigung, Totgeburt und Lebensgefahr der Mutter sowie die Begnadigung von wegen Menschenrechtsverbrechen verurteilter Militärs.

#Seine Ehefrau sprach sich gegen Verhütungsmittel aus

Schon damals machte er Migrantinnen und Migranten für ein gestiegenes Unsicherheitsgefühl im Land verantwortlich. Dass die Mordrate seit Anfang der 2000er Jahre tatsächlich stark gesunken war, spielte in seiner Rhetorik keine Rolle.

Mit der 2019 gegründeten Partei Republicanos festigte der strenggläubige Katholik Kast sein rechtskonservatives Profil. Seine Ehefrau María Pía Adriasola, mit der er neun Kinder hat, sprach sich öffentlich gegen Verhütungsmittel aus, er selbst wich Fragen zu der NSDAP-Vergangenheit seines Vaters aus. In seinem Wahlprogramm stellte er Einschränkungen rechtsstaatlicher Prinzipien zur Kriminalitätsbekämpfung in Aussicht. Linke Parteien warnten vor politischer Verfolgung. Als er 2021 gegen Gabriel Boric in die Stichwahl einzog, verlor er nicht zuletzt deshalb, weil viele Wähler ihn als zu extrem empfanden.

#Nach 2021 tritt Kast gemäßigter auf

In den folgenden Jahren mäßigte Kast seinen Ton so sehr, dass sich Teile seiner Partei abspalteten und die noch extremere Nationallibertäre Partei unter Johannes Kaiser gründeten. Auf parlamentarischer Ebene arbeiten beide Parteien dennoch zusammen.

Kast selbst konzentrierte sich fortan auf innere Sicherheit und Migration, vermied öffentliche Aussagen zur Diktatur und distanzierte sich in Debatten teils sogar von seinem eigenen Wahlprogramm. Trotz geplanter Kürzungen von rund 5,1 Milliarden Euro versprach er, weder die 40-Stunden-Woche noch staatliche Mindestrenten anzutasten. Auch die angekündigten Massenausweisungen irregulärer Migranten relativierte er im Wahlkampf.

Diesen moderaten Kurs hielt er auch kurz nach dem Wahlsieg öffentlich aufrecht. Während einzelne Anhänger Pinochet-Fahnen schwenkten, dankte er Jara für einen fairen Wahlkampf und rief zu Respekt gegenüber politischen Gegnern auf. Doch wie Kast tatsächlich regieren wird, bleibt offen. Weder er noch führende Parteimitglieder haben Regierungserfahrung. Hinzu kommt, dass seine Koalition mit nur 42 von 155 Parlamentssitzen keine Mehrheit im Parlament hat. Um Ministerposten besetzen und Gesetze verabschieden zu können, ist Kast auf die gemäßigte Rechte und die politische Mitte angewiesen.