Als Schornsteinfeger startete Norbert Roth ins Berufsleben. Begegnungen prägten damals ebenso seinen Alltag wie in seiner jetzigen Aufgabe als evangelischer Pfarrer in München: „Wir kamen in Häuser, wo sonst keine Fremden hereingelassen wurden, und die Menschen wollten Zeit von uns und mit uns reden.“ Nun möchte der 51-jährige promovierte Theologe wieder einen neuen Weg einschlagen und stellt sich am 22. November zur Wahl für das Bischofsamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig.
Als Sohn einer Gastwirtsfamilie in einem kleinen oberfränkischen Ort war eine Pfarrerlaufbahn zunächst nicht denkbar. Der Kaminkehrer sei ein vieldeutiger Beruf – zwischen dem Schmutz bei der Arbeit und der Rolle als symbolischer Glücksbringer, sagt er. Nebenbei spielte er die Orgel in der örtlichen Kirchengemeinde.
Norbert Roth: Gespräch mit Vikar änderte alles
Dort begegnete der junge Kaminkehrer einem Vikar, der ihm erstmals von einem liebenden, nicht strafenden Gott erzählte. „Ich habe gemerkt, das müssen alle hören, das muss unter die Leute“, erinnert sich Roth auch mehr als 30 Jahre später mit sichtlicher Begeisterung. Er holte das Abitur nach und studierte in Erlangen, Heidelberg und Frankfurt am Main, neben der Theologie auch Psychologie. Nach dem Vikariat arbeitete er als theologischer Referent für den Zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München.

Roth sieht sich eher nicht als „klassischen Bücherwurm“, sondern lieber in der Begegnung mit Menschen. Dennoch schrieb er eine Dissertation über die Frage der Einheit der Kirchen und der Ökumene. In Interviews mit elf Bischöfinnen und Bischöfen gewann er Einblicke in die Strukturen und die Autorität des Amtes. „Mein theologisches Dasein geht für die Einheit der Kirche drauf“, sagt er bestimmt.
Das zeigt sich auch bei seinen Reisen und Kontakten nach Israel, wo er erst kürzlich Freunde sowohl in Israel als auch Palästina besuchte und oft Unverständnis füreinander erlebte und unterstreicht: „Ich kann weder die eine noch die andere Seite mit meiner Sicht der Dinge belehren. Ich kann zuhören und will verstehen.“
Tattoo auf Oberarm in hebräischer Schrift
Auch auf Roths Oberarm findet sich diese Verbundenheit in einem Tattoo in hebräischer Schrift: „Du sollst den Ewigen, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, deiner ganzen Seele und deiner ganzen Kraft.“ Angesichts steigender rechtsextremer und ausgrenzender Tendenzen sieht er für die Kirche einen Hauptauftrag: „Menschen zu verbinden, die sonst kein Wort miteinander sprechen würden.“
Die braunschweigische Landeskirche nimmt Roth zufolge eine Vorreiterrolle gegenüber größeren Landeskirchen in Fragen von künftigen „mutigen Strukturen“ ein. Dort geplante Reformen sollen Pfarrpersonen durch multiprofessionelle Teams von Verwaltungsaufgaben entlasten. Der Fokus soll sich auch auf außerkirchliche Orte wie Kitas, Schulen und Altenheime statt auf nicht gut besuchte Sonntagsgottesdienste richten. Und gleichzeitig ist für ihn der gemeinsame Gottesdienst „Wurzel und Krone“ der christlichen Gemeinde.
Wenn Kirchengemeinden Bier brauen
„Dieser Prozess, verlorene Strukturen neu zu bauen, bietet große Chancen“, sagt Roth. Auszuprobieren, was Gemeinden wieder wachsen lasse, gelinge in einer kleineren Landeskirche sicher leichter. „Ich habe große Lust auf Verantwortung und darauf, mitzugestalten“, sagt der Theologe, der selbst Mitglied der Synoden der bayerischen Landeskirche und der EKD ist. Leitungserfahrung sammelte er auch als theologischer Vizepräsident der Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands.
Angesichts sinkender Mitgliederzahlen und Finanzmittel der Kirchen kann sich Roth auch eine Idee aus Süddeutschland vorstellen. „Wir nennen es Kennwort-Brauerei“, sagt er augenzwinkernd. Neben der Kirchensteuer finanzierten einige katholische Gemeinden mit dem Besitz von großen Brauereien ihre Arbeit. Die evangelische Kirche müsse keine Brauerei kaufen, könne aber durch innovative Ideen zusätzliche Einnahmen erzielen.
Norbert Roths Vorstellungsgottesdienst am Sonntag
In einem Café nahe dem Braunschweiger Dom, wo er sich am Sonntag, 26. Oktober, im Gottesdienst vorstellt, spricht Roth auch über Privates: Er lebt in Partnerschaft, musiziert gelegentlich und schreibt Bücher oder Beiträge für den Hörfunk. Freunde und Familie sind ihm sehr wichtig, sollen ihn aber auch regelmäßig erinnern, falls sie ihn neben der Arbeit länger nicht gesehen haben, ergänzt er lächelnd.
