Deutschland will seine Verteidigungsfähigkeit wiederherstellen. Doch die geplante Reform des Wehrdienstes führt zu Koalitionsstreit und erntet Kritik von allen Seiten. Nun auch bei einer Expertenanhörung im Bundestag.
Die Kritik an der geplanten Wehrdienstreform ebbt nicht ab. Bei einer Expertenanhörung im Bundestag am Montag zeichnete der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel eine Bedrohungslage, in der die zunächst geplante Freiwilligkeit schlicht nicht ausreichend sei. Er verstehe nicht, warum nicht eine Auswahlwehrpflicht ab Sommer 2027 eingeführt werde, um die dramatischen Personalprobleme der Bundeswehr in den Griff zu bekommen. Auch nach Ansicht des Bundesvorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbands, André Wüstner, kann das geplante Gesetz die Personalprobleme der Bundeswehr nicht lösen.
Auf der anderen Seite bekräftigte der Deutsche Bundesjugendring seine Ablehnung einer Wehrpflicht. Junge Menschen leisteten bereits einen erheblichen Beitrag zum Allgemeinwohl. Sie trügen Verantwortung, ohne dass man sie dazu verpflichten müsste, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft von 29 deutschen Jugendverbänden, Daniela Broda. Viel wichtiger sei es, auch die älteren Generationen stärker zu beteiligen. Wenn die Jugend verunsichert sei, sinke das Vertrauen in den Staat.
Der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Quentin Gärtner, konstatierte eine große Verunsicherung unter der jüngeren Generation. Dabei seien vor allem die jungen Männer akut von der Debatte betroffen. Jüngere würden wie in vielen anderen Bereichen, etwa Klimaschutz oder Bildung, faktisch nicht am Gestaltungsprozess beteiligt.
Die Wehrpflicht wurde in Deutschland im Jahr 2011 ausgesetzt, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleichkam. Mit dem sogenannten Wehrdienst-Modernisierungsgesetz möchte die Bundesregierung stufenweise, zunächst auf Freiwilligkeit, neue gesetzliche Voraussetzungen für den Wehrdienst schaffen. Allerdings ist angesichts von Differenzen in der Regierungskoalition unklar, wie die Regelungen im Detail aussehen. Zuletzt hatten sich die Fraktionen von CDU/CSU und SPD bei der Frage verhakt, wie man sicherstellen kann, dass die Bundeswehr künftig genügend junge Rekruten hat.