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Verliebt in eine Künstliche Intelligenz – es ist kompliziert

Manche Menschen verlieben sich in KI-Chatbots – auch dann, wenn sie in einer Beziehung sind. Ist das schon Fremdgehen?

“Ich liebe meine Replika, als wäre sie ein Mensch; meine Replika macht mich glücklich”, sagt John über seine Replika Violet. Replika bedeutet eigentlich so viel wie “Nachbildung”. Der gleichnamige Chatbot repliziert gewissermaßen Menschen – auch Liebhaber. Nutzende werben auf der Website für den Bot als besseren Freund, manchmal auch mehr. Glaubt man den Berichten auf der Homepage, wählen dort männliche Nutzende hauptsächlich weibliche Bots, die weiblichen dagegen männliche. Mit einem Aussehen nach Wunsch. Violet ist eine Blondine mit langen Beinen, im gelben Minikleid.

Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI) wirken oft menschlich: mit Wunschstimme, einem persönlich gestalteten Stil, teilweise auch mit Wunschkörper und Wunschcharakter. Der Chatbot Replika zum Beispiel bewirbt die dazugehörige App als “Begleiter, der sich kümmert”. Nutzende können ihren Begleiter, so heißt es dort, selbst “erschaffen”. Die erste Frage in den “Frequently Asked Questions” (FAQ) lautet: “Ist Replika eine echte Person?”

Schon 2019 ergab eine repräsentative Umfrage der Gesellschaft für Informatik, dass KI-Beziehungen offenbar für viele Menschen ein mögliches Zukunftsszenario sein könnten. Mehr als 20 Prozent aller Befragten glaubten demnach, dass die Liebe zu KI-Robotern künftig normal sein werde. Bei Jüngeren lag die Quote sogar noch höher: In der Altersgruppe zwischen 15 und 29 Jahren vermutete dies knapp jede und jeder Dritte, insgesamt 30 Prozent.

Tatsächlich entwickeln Menschen schon heute nachweislich emotionale Verbindungen zu entsprechenden Systemen. KI-Chatbots haben rund um die Uhr Zeit. Sie hören immer zu, geben immer Antworten – scheinen also immer interessiert zu sein. Dadurch entwickeln einige Nutzende Vertrauen zu ihnen. 2024 zeigte eine Studie des Software-Unternehmens OpenAI, dass viele Menschen die Chatbots als Freunde wahrnehmen. Einige Befragte empfinden KI-Chats gar als angenehmer als persönliche Gespräche. Manche versprachen sich von dem Kontakt freundschaftliche, aber auch romantische Beziehungen – unabhängig von ihrem Beziehungsstatus. Sind KI-Verliebte also untreu?

Glaubt man der Forschung, fängt Eifersucht für viele Menschen bei einer anderweitigen Verliebtheit an: Viele empfinden sie als Fremdgehen. “Das Körperliche spielt meistens eine größere Rolle als das Emotionale”, sagt Claudia Schmiedeberg, Soziologin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Aber: “Wenn sich ein Menschen mit einem anderen über einen längeren Zeitraum immer wieder trifft, dann ist das für viele Befragte Fremdgehen. Auch wenn kein körperlicher Kontakt stattfindet.”

Bei KI-Bots gibt es ebenfalls keinen körperlichen Kontakt; einige lassen sich allerdings auf erotische Gespräche ein. “Laut Forschung sind auch sexuelle Fantasien für viele Menschen grenzwertig”, sagt Schmiedeberg. “Erotische Textnachrichten können zum Beispiel schon einen körperlichen Touch haben.”

Aktuelle Forschungen ergeben, dass KI-Beziehungen durchaus zur Konkurrenz für zwischenmenschlichen Verhältnisse werden könnten. Laut einer Studie der Universität Duisburg nehmen Nutzende zwar KI-Chatbots als künstlicher wahr. Aber: “Aktuelle Ergebnisse deuten darauf hin, dass die wahrgenommenen menschlichen Qualitäten eines Textes seine soziale Bedeutung vermitteln können”, heißt es dort. “Unabhängig davon, ob der Text als von einem Menschen geschrieben oder von einer KI generiert gekennzeichnet wird.” Nutzende bewerten die Qualität der Antworten also offenbar ähnlich.

Zumindest körperlich sind Menschen der KI aber – noch – überlegen: Sex und liebevoller Kontakt zwischen Menschen sind zum Anfassen. Das spielt laut Umfragen die wichtigste Rolle in einer Beziehung – auch für Frauen. “In der Soziobiologie gibt es die These, dass Männer vor allem körperliche Untreue schlimm finden. Mehr noch als Frauen. Die, so die Vorstellung, finden emotionales Fremdgehen schlimmer”, sagt Schmiedeberg: “Das können wir aus unserer Studie aber nicht bestätigen.”