Am Sonntag ist in Venedig die Testphase eines einzigartigen Projektes zu Ende gegangen. An ausgewählten Tagen hatte die Stadt eine Eintrittsgebühr für die Lagune erhoben. Das Ziel: Die Massen an Touristen in den Griff zu bekommen.
Wie jeden Samstag seit der Einführung am 25. April versammelten sich auch an diesem Wochenende etwa 100 Venezianer der Initiative „No Ticket“ vor dem Bahnhof Santa Lucia. Sie erklärten den sogenannten „Contributo d’accesso“ für gescheitert. Die Aktivisten verteilten Flugblätter an die Besucher ihrer Stadt, in denen sie die Gründe für ihre Ablehnung des Eintrittspreises darlegen. Sie kritisieren vor allem, dass die Wahrung der Privatsphäre des Einzelnen nicht mehr gegeben sei. Schließlich wurden auch sie kontrolliert und mussten sich erklären, nur um in ihre eigene Stadt zu gelangen.
Die Verantwortlichen in der Stadtregierung zeigen sich hingegen zufrieden. Fünf Euro musste bezahlen, wer an einem der insgesamt zuvor festgelegten 29 Tage zwischen 8.30 Uhr und 16 Uhr in die Lagunenstadt wollte. Insgesamt haben laut den Daten der Stadt fast 450.000 Besucher diesen Eintrittspreis bezahlt. Venedig hat damit rund 2,2 Millionen Euro eingenommen. Gerechnet hatte man mit 700.000 Euro, wie der für den Tourismus zuständige Stadtrat Simone Venturini am Sonntag erklärte.
„Die Mittel, die wir eingenommen haben, sind dazu gedacht, die Kosten der komplexen Maschinerie aufrechtzuerhalten“, sagte Venturini weiter. Diese habe „in Perfektion“ funktioniert. Trotz der 20.000 bis 30.000 Kontrollen pro Tag sei es zu keinen Warteschlangen für die Touristen gekommen. Venturini macht auch den Bewohnern Versprechungen: „In den kommenden Jahren können wir die zusätzlichen Einnahmen durch das Ticket in Projekte für die Stadt investieren.“ Nicht nur daran zweifeln viele der rund 50.000 Einwohner der Lagune.
An der Demonstration gegen das Ticket hat auch Giovanni Martini teilgenommen. Er sitzt für die bürgerliche Liste „Tutta la Città Insieme“ (Die ganze Stadt vereint) im Stadtparlament. Er glaubt nicht an den Erfolg der Eintrittsgebühr. „In den ersten Tagen des Experiments haben im Schnitt 20.000 Besucher bezahlt, später ist diese Zahl auf 10.000 bis 11.000 gesunken“, referiert er die offiziellen Zahlen der Stadt. Seine Erklärung dafür: „Es sind nicht weniger Menschen gekommen, es haben nur weniger bezahlt, weil sie gemerkt haben, dass eh keine Strafen verhängt werden.“ Besucher, die bei einer Kontrolle keinen Code vorweisen konnten, wurden an die Schalter verwiesen, an denen sie die Zahlung nachholen konnten.
Wenige Tage vor der Demonstration hatte Martini für einen Skandal gesorgt. Er hatte in den sozialen Medien vorgeschlagen, die Protestmethode aus Barcelona zu übernehmen – wo zuletzt Touristen mit Wasserpistolen bespritzt wurden. Bürgermeister Luigi Brugnaro zeigte sich empört und erwägt laut italienischen Medien sogar eine Anzeige gegen Martini.
Im Gegensatz zu den „No Ticket“-Aktivisten hätten die Touristen die Maßnahme positiv aufgenommen, sagte Michele Zuin, der Stadtkämmerer Venedigs am Sonntag. Er gibt auch einen Ausblick, wie es nun weitergehen soll. „Dieses erfolgreiche Experiment stellt uns Daten bereit, die bisher noch nie im Zusammenhang mit dem Tourismus in Venedig erhoben wurden“, sagte er. Diese würden nun ausgewertet, um den Kalender für 2025 zu organisieren, „mit allen Neuerungen, die aus den Daten nun folgen werden“.
Sicher sei, dass der Eintritt im kommenden Jahr und damit im regulären Betrieb an mehr Tagen als in der Testphase erhoben werde. Auch soll eine Obergrenze der Besucherzahl eingeführt werden. Wenn diese erreicht ist, könnte der Preis für diese Tage auf zehn Euro erhöht werden. Eine solche Steigerung könnte künftig auch für kurzfristige Buchungen gelten. Über all dies werde in den kommenden Monaten gesprochen.
Auch die Gegner des Tickets wollen sich nun erst einmal beraten. Am 21. September ist eine erneute Versammlung geplant. Auf dieser soll auch über die Möglichkeit diskutiert werden, eine Volksabstimmung über die Abschaffung des Eintrittspreises für Venedig in die Wege zu leiten. Wie sich das „Museum Venedig“ also künftig präsentieren wird, wird sich zeigen.