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Van Morrison wird 80: Choleriker und grandioser Musiker

Seinen 80. Geburtstag feiert der nordirische Sänger Van Morrison „zu Hause“ – auf der Konzertbühne in Belfast. Die zwei Geburtstagskonzerte am 30. und 31. August in der Waterfront Hall sind schon lange ausverkauft. Live-Konzerte sind bei „Van, the Man“ allerdings immer ein Risiko. Mal spielt er mit dem Rücken zum Publikum nur ein Pflichtprogramm. Ein anderes Mal kann Morrison mit Hingabe und Inspiration begeistern. Der Musiker gilt als ebenso schwierig wie grandios.

Der Titel eines seiner gefeierten Live-Alben vor 50 Jahren könnte auch sein Lebensmotto sein: „Es ist jetzt zu spät aufzuhören“ („It’s too late to stop now“): Beharrlich veröffentlicht er auch im Alter ein Album nach dem anderen – allein in den vergangenen fünf Jahren waren es acht. Nach einem Skiffle-Album („Moving on Skiffle“, 2023) folgte im selben Jahr mit „Accentuate the Positive“ eine Verneigung vor dem frühen Rock’n’Roll. Danach gab es „neue Arrangements und Duette“ sowie ein Instrumentalalbum, auf dem Morrison Gitarren, Piano, Saxofon und Mundharmonika spielt.

Auf seiner aktuellen Veröffentlichung „Remembering Now“ (2025) ist wieder sein typischer Mix aus Blues, Folk und sehr viel Soul zu hören. In „When the Rains Came“ singt er über den inneren Frieden, den der Regen bringt. Mit „If it wasn’t for Ray“ würdigt Morrison eines seiner Vorbilder: den US-Musiker Ray Charles. Veröffentlicht ist auch der Song „Down to Joy“, der in dem Dokumentarfilm „Belfast“ von Kenneth Branagh zu hören war.

Zur Corona-Zeit hatte Morrison gegen die britischen Corona-Schutzmaßnahmen gegeifert, von Manipulationen, Freiheitsberaubung und Medienverschwörungen geraunt. Songs wie „No more Lockdown“ und „Born to be Free“ oder den gemeinsam mit Eric Clapton eingespielten Empörungs-Song „This Has Gotta Stop“ (2021) machten ihn zur musikalischen Galionsfigur der Corona-Proteste. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ schrieb von einer „nur mühsam in Versform gepressten Wutrede“, einer späten „Selbstberufung zum querdenkenden Protestsänger“ und bezeichnete die Musik als „ungenießbar“.

Ungeachtet seiner Übellaunigkeit und seiner Wutausbrüche versteht es Morrison musikalisch wie kaum ein anderer Künstler, Jazz, Blues, irische Folkmusik, Soul und Rock zu einem eigenen, unverwechselbaren Sound zu verschmelzen. 1993 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Für sein Lebenswerk erhob ihn Königin Elisabeth II. 2015 in den Adelsstand.

Die Leidenschaft für die Musik wurde bereits als Kind geweckt: George Ivan Morrison kam am 31. August 1945 in Belfast als Sohn ausgesprochener Musikliebhaber zur Welt. Der Vater, der in den Docks arbeitete, besaß eine riesige Plattensammlung mit Blues, Jazz und Gospel. Die Mutter nahm ihn mit in Gottesdienste, in denen Gospelmusik gespielt wurde.

Mit zwölf Jahren gründete Morrison, der Saxofon, Klavier und Gitarre spielt, seine erste Musikgruppe. Mit der späteren Band „Them“ hatte er als 20-Jähriger Mitte der 60er Jahre große Hits wie „Gloria“ und „It’s all over now, Baby Blue“.

Bereits sein frühes Solo-Album „Astral Weeks“ aus dem Jahr 1968 wurde von Kritikern als ein „Jahrhundertalbum“ bejubelt. Die Melange aus Folk, Blues und Jazz mit rätselhaften Texten und melancholischen Bildern ließ sich zunächst jedoch kaum verkaufen. Rund 40 Jahre später, 2009, spielte er das Werk noch einmal in einem umjubelten Livekonzert ein.

Seine Songs eignen sich nur selten für die Hitparaden. Viele seiner Stücke sind von der lebenslangen Suche nach spirituellen Erfahrungen geprägt – mal bei indischen Yogis, mal bei der Scientology-Organisation und auch bei der Psychoanalyse Carl Gustav Jungs. Er hat sich auch einmal als „christlichen Mystiker“ bezeichnet.

In seiner Musik preist er die Magie der Stille („Hymns To The Silence“), den vollkommenen Augenblick in der Natur („In The Garden“) oder die spirituelle Heilung („And The Healing Has Begun“). Das Duett mit dem britischen Popstar Cliff Richard „Whenever God Shines His Light on Me“ (1989) landete in Großbritannien in den Charts.

Musikalisch will sich Van Morrison nicht festlegen lassen. Mal schließt er sich mit einer Handvoll Jazzmusiker in einem Londoner Nachtclub ein, um Jazz aufzunehmen. Ein andermal erkundet er mit irischen Folkgruppen seine keltischen Wurzeln. Er veröffentlichte aber auch schon eine Platte ausschließlich mit Country-Songs.

Mit fast 80 Jahren klingt Van Morrison ungewohnt positiv gestimmt. Er wolle nicht den Gefühlen der Verzweiflung oder des Untergangs nachgeben, formuliert er in seinem neuen Song „Haven’t Lost my Sense of Wonder“ – auch eine Anspielung auf sein früheres Stück „A Sense of Wonder“: Er habe das Gefühl für das Staunen nicht verloren.