Am Anfang waren Fuß, Spann oder Elle die wichtigsten Maßeinheiten der Menschheit. Doch sie unterschieden sich teilweise von Stadt zu Stadt. Vor 150 Jahren einigten sich mehrere Staaten auf eine Definition des Meters.
Wer über den Hildesheimer Markt schlendert, kann an einer Wand nahe des Eingangs zum Ratskeller einen an einer Kette befestigten eisernen Stab entdecken. Die “Hildesheimer Elle” sollte im Mittelalter ein einheitliches Stoffmaß für alle Marktteilnehmer sicherstellen. Und wer am Freiburger Münster entlang geht, sieht am Turmsockel in den Stein gravierte Rundformen, die die Mindestgröße des auf dem Markt verkauften Brots vorgaben.
Verbraucherschutz im Mittelalter: Einheitliche Maße sorgen für einen fairen Handel, verhindern Streit und sorgen für Qualität in Wissenschaft und Technik. Von daher war es ein riesiger Fortschritt, dass 18 Staaten am Dienstag vor 150 Jahren, am 20. Mai 1875, in Paris international gültige Standards für Maß und Gewicht vereinbarten. Zum ersten Mal wurden der Meter und das Kilogramm genau definiert. Ein Schritt auf dem Weg zur Globalisierung.
“Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet.” Das Alte Testament der Bibel bekundet, dass Gott die Welt nach einem genauen Plan geschaffen hat. Den Menschen allerdings sind die göttlichen Maße unbekannt. Sie müssen die Ordnung der Welt aus eigener Kraft entschlüsseln.
Die ältesten Maßeinheiten wurden vom menschlichen Körper abgeleitet. Doch Elle, Fuß, Spann oder Handbreit wurden von Ort zu Ort unterschiedlich definiert. Dass die Römer für ihr gesamtes Reich einheitliche Maße festgelegt hatten, geriet Jahrhunderte lang wieder in Vergessenheit.
Das Recht, Maße und Gewichte festzulegen, war ein wichtiges Herrschaftsinstrument, das sich Territorialherren und Städte nicht gern aus der Hand nehmen ließen. Große Handelsstädte wie Amsterdam, Köln oder Lübeck verfügten im Spätmittelalter oft über mehrere Eichmeister, die für einzelne Maße oder Gewichte zuständig waren.
“Jede Stadt hatte ihr eigenes Längenmaß, die waren teilweise abgenommen von der Elle des Herrschers”, heißt es bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Das roch den Urhebern der Französischen Revolution dann doch zu sehr nach Adelsprivilegien: Sie postulierten nach 1789 nicht nur die Gleichheit aller Menschen, sondern auch die Gleichheit der Maße. Handel, Handwerk und Bauwesen in ganz Frankreich sollten durch einheitliche Normen verbessert werden.
Die französische Nationalversammlung beauftragte 1792 zwei Astronomen mit der Berechnung einer Maßeinheit, die fortan als “Meter” bezeichnet wurde. Das neue Längenmaß sollte den zehnmillionsten Teil der Strecke vom Nordpol zum Äquator betragen. 1799 wurde der Nationalversammlung schließlich auf einem Samtkissen der Platinstab präsentiert, der fortan als “Urmeter” galt. Bei dieser Gelegenheit wurde auch gleich das “Urkilogramm” vorgestellt, das in Abhängigkeit vom Meter definiert war.
Die französische Definition von Maß und Gewicht wurde wegweisend. Und so übernahmen 18 Nationen am 20. Mai 1875 bei der Unterzeichnung der internationalen Meterkonvention das französische System. Das metrische Maß galt damit unter anderem auch in Skandinavien, Belgien, Deutschland, Italien, Österreich-Ungarn, Portugal oder Russland sowie südamerikanischen Staaten wie Brasilien, Argentinien, Peru und Venezuela. Zugleich wurde das “Büro für Maße und Gewichte” mit Sitz in Paris gegründet.
14 Jahre später ließ die 1. Generalkonferenz für Maß und Gewicht einen Urmeter aus einer Legierung von 90 Prozent Platin und 10 Prozent Iridium anfertigen. 30 Kopien wurden an die Mitgliedsstaaten verlost – die Mütter aller Längenmaße. In England und Amerika sind zwar nach wie vor noch Foot, Pound und Gallon im Alltag gebräuchlich, aber in der Wissenschaft und im internationalen Handel hat sich das metrische System weitgehend durchgesetzt.
Das ist allerdings noch nicht das Ende der Geschichte. Denn im 20. Jahrhundert kamen Zweifel an der Genauigkeit der Messmethode auf. Schon jedes leichte Schwanken der Temperatur ändert den Urmeter, von irgendwelchen Beschädigungen des Objekts ganz zu schweigen. 1960 steckte man den Metallstab deshalb ins Museum und maß fortan die Einheit Meter mithilfe einer Wellenlänge. 1983 wurde es noch genauer: Die unveränderliche Lichtgeschwindigkeit wurde zur Referenzgröße. Ein Meter ist seitdem definiert als die Länge der Strecke, die Licht im Vakuum während einer bestimmten Zeit zurücklegt. Urmeter und Urkilogramm haben endgültig ausgedient.