Es war für ihn keine Liebe auf den ersten Blick, gibt Marc Blessing zu. „Ich habe die Auseinandersetzungen verfolgt und war selbst sehr skeptisch“, sagt der Marktkirchenpastor. Aber jetzt sei er überzeugt. „Ich bin sehr froh, dass wir es haben. Es ist ein fein gearbeitetes Kunstwerk, das zur Auseinandersetzung herausfordert. Ich glaube, dass es alle Menschen berühren wird.“
Sieben Jahre ist um das Fenster gerungen worden. Es sei zu expressiv, hieß es damals, es störe die schlichte Schönheit der Marktkirche. Schließlich setzten sich die Befürworter des modernen Kunstwerks aus Glas und Licht durch, auf dem unter anderem Fliegen abgebildet sind. Nach dem Gottesdienst am Reformationstag soll es im Beisein des Künstlers Markus Lüpertz eingeweiht werden.
Reformationsfenster: Luther von Fliegen umschwirrt
Vor allem die Überhöhung von Martin Luther geht Markus Lüpertz mit seinem Werk an. „Der Künstler zeigt den Reformator nicht als entrückten Heroen, wie wir ihn etwa vor der Kirche dargestellt sehen“, so Blessing. „Sondern er lässt Luther von inneren und äußeren Dämonen wie von Fliegen umschwirrt sein.“
Doch die zentrale Figur des fast 20 Meter hohen Fensters lasse auch andere Deutungen zu, betont Blessing. Zu sehen ist zunächst eine sechs Meter hohe, weiß gewandete Gestalt, die ihre Augen weit aufgerissen und ihre Hände wie zur Ergebung erhoben hat. „Das kann jeder Mensch sein, der angefochten oder versucht ist“, sagt Blessing. „Wir erleben Tod, Krieg und Terror, die wie Fliegen um uns schwirren und die wir nicht verscheuchen können.“ Es könnte sich bei der Gestalt allerdings auch um einen Täufling handeln oder um Jesus.
Blessing sieht das Fenster vor allem als Gesprächsangebot. „Es hinterfragt, was uns Halt in schwierigen Zeiten gibt.“ Dabei eröffne das Fenster selbst heilvolle Bezüge, so Blessing. Auch Luther sei angefochten gewesen. Dann habe er sich auf seine Taufe berufen. „Seine wichtigste Entdeckung war vielleicht die Kraft des Glaubens.“ Und so zeige das Fenster auch Federkiel und Tintenfass, mit dem Luther nach dem Teufel geworfen habe.
Die Sonne scheint durch Christus hindurch
Hoffnung schenke vielleicht eine andere Figur, die zunächst Rätsel aufgebe: eine ausgemergelte, gebrochene Gestalt. Möglich, dass es sich um Jesus handele, gibt Blessing zu bedenken. Darauf deute die Krone hin. „Wenn die Sonne scheint, fällt das göttliche Licht durch diesen Christus in die Kirche. Er ist Heil und Segen für uns.“
Info
Der Gottesdienst mit Festakt beginnt am 31. Oktober um 10 Uhr – auch als Livestream unter www.marktkirche-hannover.de.