Anlass des Ganzen war ein Projekt der Papierkünstlerin Silvia Mielke. Sie hatte bis dahin mit Telefonbüchern gearbeitet, das Papier unter anderem in Streifen geschnitten, zu langen Bändern verarbeitet und auf Kabeltrommeln aufgewickelt. Zum Jubiläum 2018 sollte das nun mit alten Bibeln geschehen.
Den Anstoß dazu gab Pfarrerin Mechthild Werner. Sie leitete damals das Projektbüro der Landeskirche für die Unionsfeiern. Sie hatte vor allem die alten Gemeinde- und Gebrauchsbibeln im Blick, die durch die neu erschienene Lutherbibel ersetzt wurden. Statt im Altpapier zu landen, sollten die Bibeln durch das Projekt zu neuem Leben erweckt werden, sagte Werner. Kirchengemeinden sollten motiviert werden, sich zu beteiligen und kreativ mit der Bibel umzugehen.
Bibelrollen als einigendes Band
Geplant war, dass ein 400 Meter langes Bibelband den Unionszug des Jahres 1818 nachstellen sollte. Dieser führte in Kaiserslautern von der ehemals lutherischen Kleinen Kirche zur ehemals reformierten Stiftskirche und symbolisierte die Vereinigung der beiden Bekenntnisse zur Vereinigten Protestantisch-Evangelisch-Christlichen Kirche der Pfalz. Dazu passten die Bibelrollen als einigendes Band sehr gut, sagte Werner.
Doch aus diesem Projekt wurde nichts. Die Bezirkssynode Kaiserslautern sprach sich ohne jegliche Diskussion fast einstimmig dagegen aus. Die Bezirkssynodalen hielten das Vorhaben für einen völlig unangemessenen Umgang mit der Bibel, sagte der Vorsitzende der Bezirkssynode Hermann Lorenz, der auch Präsident der pfälzischen Landessynode ist. Seiner Ansicht nach wäre eine solche Aktion den Kirchenmitgliedern nicht vermittelbar. Ein Gemeindemitglied habe ihm gesagt, das sei, als ob man einen ausgedienten Abendmahlskelch als Klobürstenhalter verwende. Er finde diesen Vergleich sehr passend, fügte Lorenz an.
Zunächst hatte auch die Künstlerin Silvia Mielke Bedenken, mit der Bibel zu arbeiten. Doch dann habe sie die Hemmschwelle überwunden. Schließlich sei nicht das Papier heilig, sondern die Texte und Geschichten, sagte sie damals.
Projektleiterin Werner warf den Kritikern Mutlosigkeit und mangelnden Kunstverstand vor. Vor allem ärgerte sie sich, dass die Gegner des Projekts den Diskurs darüber verweigerten, was an der Bibel heilig sei: einzelne Seiten, der Einband oder doch mehr der Inhalt. Werner berichtete, dass ein Kollege ihr gesagt habe, mit ihrer Weigerung betreibe die Kaiserslauterer Bezirkssynode so etwas wie die „Koranisierung“ der Bibel. Viele Muslime wickeln einen unbrauchbar gewordenen Koran wie einen Toten in ein Tuch und bestatten ihn.
Umgang mit der Bibel wurde thematisiert
Der damalige Pressesprecher der Landeskirche, Pfarrer Wolfgang Schumacher, zog sogar persönliche Konsequenzen und predigte einige Zeit nicht mehr im Kirchenbezirk Kaiserslautern, obwohl er aus dieser Stadt stammt und dort wohnt. Jede Predigt beruhe darauf, dass Teile der Bibel herausgenommen, bearbeitet und zu etwas Neuem zusammengefügt werden, sagte er. Einen solchen Umgang mit der Heiligen Schrift lehne die Bezirkssynode offenbar ab.
Ein paar wenige Auftritte hatte das Bibelband im Jubiläumsjahr dennoch. Die Kirchenbezirke Frankenthal und Ludwigshafen präsentierten die Rollen in Gottesdiensten, begleitet von einer Podiumsdiskussion über die Heilige Schrift oder mit einem Gespräch mit der Künstlerin Silvia Mielke. Auch auf dem Rheinland-Pfalz-Tag in Annweiler im Jahr 2019 waren die Rollen zu sehen.
Gottesdienstbesucher ergriffen vom Alter der Bibel
Die Pfarrerin, mit der sie den Gottesdienst in der Friedenskirche Ludwigshafen gestaltete, habe ihr gesagt, dieser Gottesdienst sei einer der eindrücklichsten für sie gewesen. Und auch Werner erinnert sich, wie ehrfürchtig die Gemeinde – jung und alt – die Schriftrollen aufgehoben und getragen hätten. Das sei berührend gewesen.
Ein weiterer öffentlicher Einsatz der Rollen etwa in einem Bibelmuseum sei wegen Corona nicht möglich gewesen, sagte Werner. Derzeit liege das Werk im Atelier von Silvia Mielke. Doch das solle nicht so bleiben. Gerade besagter Einsatz der Bibelrollen im Gottesdienst in der Friedenskirche habe die Landeskirche bewogen, sie zum Live-Gottesdienst der ARD am Reformationstag in der Ludwigshafener Kulturkirche erneut einzusetzen. Das Wort stehe da ebenfalls im Mittelpunkt.
Der Gottesdienst werde gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern eines Ludwigshafener Gymnasiums vorbereitet. Auf die Reaktion der Zuschauerinnen und Zuschauer sei sie sehr gespannt, sagte Werner.