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TV-Premiere: “Verraten und hingerichtet – Der Sohn des Mullahs”

Dokumentarisches Porträt des Journalisten Roohollah Zam, der 2019 im Irak von iranischen Revolutionsgarden entführt und wegen seiner Systemkritik ein Jahr später in Teheran hingerichtet wurde.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Der iranische Journalist Roohollah Zam (1978-2020) wuchs als Sohn eines hochrangigen Mullahs innerhalb der schiitischen Elite in Teheran auf, kehrte seiner Heimat aber als junger Mann den Rücken und gründete mit AmadNews (“Stimme des Volkes”) eine oppositionelle Plattform, die Korruption, Doppelmoral und die Verbrechen des iranischen Regimes öffentlich machte.

Ein Clou von AmadNews war die Aufdeckung eines Geldwäscheskandals, der im Iran hohe Wellen schlug. Dadurch geriet Zam aber auf die Abschussliste der Mullahs. 2019 wurde er im Irak in eine Falle gelockt, von den Revolutionsgarden entführt und ein Jahr später in Teheran hingerichtet.

Der Dokumentarfilm von Nahid Persson Sarvestani von 2023, der erst im Juni in den Kinos lief, verbindet Interviews, teilnehmende Beobachtungen und reportagehafte Elemente zu einem tragisch-spannenden Porträt, das durch Entführung und Hinrichtung fast thrillerhafte Qualitäten annimmt.

Im Anschluss zeigt Arte ab “Frau, Leben, Freiheit – Eine iranische Revolution” über die Massenproteste im Iran im September 2022.

“Der Sohn des Mullahs” von 2023, der erst im Juni in den Kinos lief, ist in doppelter Hinsicht ein sehr persönlicher Dokumentarfilm. Einmal ist er es für die iranisch-stämmige Regisseurin Nahid Persson Sarvestani, die seit der 1979er-Revolution als Exilantin in Schweden lebt.

Seit gut zwanzig Jahren übt sie in Filmen wie “Prostitution hinter dem Schleier” (2006) offen Kritik, was ihr im Zuge einer Reise in den Iran einen mehrmonatigen Hausarrest einbrachte. Dass auch “Der Sohn des Mullahs” ein politisches Motiv hat, offenbart schon die Widmung an “alle Iraner, die ihr Leben im Kampf gegen das Regime riskieren”.

Ein persönliches Anliegen war der Film auch für den Protagonisten Roohollah Zam (1978-2020). Als Sohn eines hochrangigen Mullahs wuchs er als Teil der iranischen Elite auf, stand aber in wachsender Opposition zur politischen Führung. 2009 ging er gegen die klerikalen Machthaber auf die Straße und saß dafür zweieinhalb Monate im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran, wohin auch seine Lebensgefährtin Mahsa verbracht wurde. Auf Geheiß des Vaters kam er wieder frei. Das Paar verließ daraufhin den Iran Richtung Frankreich.

Mit seiner Online-Plattform AmadNews (“Stimme des Volkes”) prägte Zam die iranische Protestbewegung von 2017 mit und klagte Korruption, Doppelmoral und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. Dass er damit auf der Abschussliste der Mullahs landete, versteht sich von selbst.

Sarvestani und Zam sind vom gleichen kritischen Geist und dem Mut zu offener Kritik an den Mullahs beseelt. Daher wundert es nicht, dass sich beide für einen Dokumentarfilm zusammengetan haben. 2019 besuchte die Filmemacherin den versteckt in Frankreich lebenden Protagonisten. Die dabei entstandenen Filmaufnahmen verdichtet sie zu einem teilnehmenden Blick auf die lebensgefährliche Oppositionsarbeit.

In Interviews legt Zam seine Sichtweise dar. Immer wieder sieht man ihn bei Telefonaten mit Oppositionellen und Whistleblowern, die nicht gezeigt werden wollen. Dazwischen skizzieren Nachrichtenmitschnitte oder Videos von Demonstrationen die Lage im Iran. Ein zentrales Thema ist die alles andere als unbegründete Paranoia, vor der auch Zam und andere Regimekritiker nicht gefeit sind. Im Verlauf der Dreharbeiten erhält auch die Regisseurin die Nachricht: “Wir werden dich und deine Familie töten.”

Als Zam Hinweise auf die geplante Liquidierung des iranischen Exil-Journalisten Ali Javanmardi erhält, verlagert sich der Fokus des Films in den kurdischen Teil des Irak. Spätestens ab dann, wenn Persson Sarvestani den mit einer Maschinenpistole bewaffneten Javanmardi begleitet, funktioniert “Der Sohn des Mullahs” wie ein Politthriller.

Ohne es zu ahnen, schlittert die Filmemacherin in eine waschechte Geheimdienstaffäre. Zams Mitarbeiterin Shirin, die er einmal “unsere Miss Marple” nennt, entpuppt sich als iranische Agentin. Auf ihr Anraten hin fliegt Zam in den Irak, wo er den “Schiiten-Papst” Ayatollah Sistani interviewen will. Zugleich wird ihm das Startkapital für die Gründung eines Fernsehsenders angeboten. Doch mit seinem Flug in den Irak kommt Zam den Revolutionsgarden zu nahe. Zam wird in den Iran entführt und nach über einem Jahr Haft im Dezember 2020 in Teheran hingerichtet.

“Der Sohn des Mullahs” ruft einmal mehr ins Bewusstsein, wie viel Mut es braucht, um die Stimme gegen totalitäre Herrscher zu erheben. Dass der Film an einigen Stellen stark emotionalisierend ausfällt, ist durchaus verständlich und ein im Kontext legitimes Element der dokumentarischen Erzählung. “Es war einmal ein Papa, den liebte ich wirklich sehr”, sagt etwa eine Tochter von Roohollah Zam.

Der Kampf um die Deutungshoheit und die Verteilung der Macht im Iran ist auch ein Medien- und Informationskrieg. Die Mullahs lassen eine Fernsehserie über Roohollah Zams Festnahme produzieren. Eine schon 2019 gezeigte Dokumentation über ihn erwies sich als propagandistischer Erfolg, der Teile der kritischen Diaspora an Zams Aufrichtigkeit zweifeln ließ. “Der Sohn des Mullahs” rückt die Dinge jetzt wieder zurecht und bildet ein Gegengewicht zur iranischen Propaganda. Die Wut der Hinterbliebenen, das suggeriert der Schluss des Films mit einem Schwenk auf die “Frau Leben Freiheit”-Bewegung, schweißt den Widerstand zusammen.

Aus Trauer über die Hinrichtung seines Sohns legte Zams Vater öffentlich sein Mullah-Gewand ab. Eine seiner Töchter nahm an den jüngsten Protesten teil. “Wir alle wissen, wir werden gewinnen”, heißt es in dem Lied, das zum Abspann läuft.