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Trotz Rücktrittsforderung: Ralf Meister bleibt Landesbischof

Das Thema sexualisierte Gewalt setzt die Landeskirche Hannovers unter Druck. Auch Landesbischof Ralf Meister musste sich rechtfertigen.

Landesbischof Ralf Meister ging in seinem Bischofsbericht nur kurz auf dei Rücktrittsforderung ein.
Landesbischof Ralf Meister ging in seinem Bischofsbericht nur kurz auf dei Rücktrittsforderung ein.Jens Schulze

Das Thema sexualisierte Gewalt setzt die Landeskirche Hannovers weiter unter Druck. Dass noch einige schwierige Wegmarken vor ihr liegen, wurde auf der Frühjahrssynode deutlich. Angesichts neuer Rücktrittsforderungen musste sich Landesbischof Ralf Meister erneut für sein Verhalten gegenüber Betroffenen rechtfertigen.

Als der Landesbischof vor die Frühjahrssynode tritt, steht weniger sein Bericht im Mittelpunkt als vielmehr die erneute Rücktrittsforderung und die unausgesprochene Frage, wie er sich dazu verhalten würde. „Ich bedauere es außerordentlich, dass ich den Gottesdienst nicht besuchen konnte“, kommentiert Ralf Meister sein umstrittenes Verhalten. Von einem Fehler spricht er in der Öffentlichkeit nicht. Vielmehr rechtfertigt er sich mit ein paar weiteren Sätzen, dass er sexualisierte Gewalt doch in Predigten, Gebeten und auf der Pressekonferenz zum Thema gemacht habe.

Es geht um die Rolle des Landesbischofs auf dem Kirchentag. Meister hatte zugesagt, sich für das Thema starkzumachen. Doch ausgerechnet an einem Gottesdienst von und für Betroffene von sexualisierter Gewalt entzündet sich nun Kritik, die in der erneuten Rücktrittsforderung gipfelt.

Betroffene fordern Rücktritt von Landesbischof Meister

Er habe seine Teilnahme in einem Vorgespräch zwar zugesagt, sei dann aber nicht erschienen und habe auch nicht abgesagt, ärgert sich Nancy Janz, die auf dem Kirchentag die Projektleitung für das Themenfeld „Macht und sexualisierte Gewalt“ innehatte und sich im „Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt“ der EKD engagiert. „Wir waren enttäuscht und wütend“, sagt Janz. „Unser Gespräch hat offensichtlich keine Verhaltensänderung nach sich gezogen. Er hat nicht verstanden, worum es wirklich geht.“

Seit Monaten steht der hannoversche Landesbischof wegen seines Verhaltens gegenüber Betroffenen in der Kritik. Zwar hatte er Fehler im Umgang mit Betroffenen eingestanden, die Forderung nach einem Rücktritt jedoch zurückgewiesen. Die Landessynode hatte ihm daraufhin ihr Vertrauen ausgesprochen.

„Wir haben über den aktuellen Fall gesprochen“, sagt der Synodale Fritz Hasselhorn. „Wir haben ihm unser Vertrauen ausgesprochen.“ Für eine öffentliche Debatte sehe er deswegen keinen Anlass. Ruben Grüssing von der synodalen „Gruppe Offene Kirche“ sieht es ähnlich: „Uns lässt das nicht kalt. Aber es gab keinen Grund, den Rücktritt des Landesbischofs zu fordern.“

Ralf Meister sieht keinen Grund für Rücktritt

Ralf Meister ist über die neuerliche Kritik überrascht. „Natürlich verunsichert es mich. Woher kommt dieser massive Vorwurf“, fragt sich der Landesbischof. Er habe Nancy Janz zweimal um ein Gespäch gebeten, doch keine Antwort erhalten. „Ich sehe keine neue Qualität in der Forderung. Außerdem hat mir die Synode ihr Vertrauen ausgesprochen”, erklärt er.

Sexualisierte Gewalt war ein Schwerpunktthema der Synode. Ein Ärgernis in den Augen vieler Betroffener von sexualisierter Gewalt liegt in der mangelhaften Beteiligungsstruktur der Landeskirche. So sind Betroffene bisher weder in Entscheidungsprozesse eingebunden noch haben sie auf der Landessynode Rederecht. Stattdessen müssen ihnen sogenannte Sprechende des Publikums Gehör verschaffen.

Und so haben Marlene Kowalski, Leiterin der Fachstelle „Aktiv gegen sexualisierte Gewalt“ bei der Diakonie Deutschland, und Olaf Jantz vom „Büro Mannigfaltig“ zahlreiche Stellungnahmen von Betroffenen vorgetragen, darunter von „Lisa Meyer“. Sie beklagte, dass sich die Synodalen das Thema vom Leib halten würden. Viele hätten zunächst Interesse an einem Gespräch mit ihr signalisiert, sich dann jedoch nicht mehr gemeldet. Meyer macht bei den Synodalen Hemmungen aus, sich mit Betroffenen auseinanderzusetzen.

Synodale wollen besser auf Bedürfnisse der Betroffenen eingehen

In weiteren Stellungnahmen wurde auch die Rücktrittsforderung laut. Der Landesbischof lasse eine Haltung vermissen, die mutig, stark und beherzt für die Betroffenen eintrete, ließ sich etwa Kerstin Krebs von „Vertuschung beenden!“ zitieren. So sei er kein Vorbild.

War schon die Rücktrittsforderung an den Landesbischof wie ein Weckruf, so lösten auch die Stellungnahmen große Betroffenheit unter den Synodalen aus. „Es hat schon viele Schritte gegeben“, sagte die Synodale Karin Köhler. „Aber es reicht nicht, wenn wir die Prioritäten nicht so setzen, wie es die Betroffenen fordern. Wir müssen sensibler für ihre Bedürfnisse werden“, betonte Köhler.

Auch Johannes Keymling sieht die Synode in der Pflicht. „Aus unserer Sicht tun wir schon viel, aber trotzdem passieren immer wieder Dinge, die bei den Betroffenen zu Verletzungen führen“, sagte der Synodale. Der „Fehler“ des Landesbischofs stehe symbolhaft für das Vorgehen der Landeskirche. „Wir müssen besser werden.“

Betroffene sollen künftig besser beteiligt werden

Wie zum Beweis haben die Synodalen einige zukunftsweisende Wegmarken bei der Beteiligung von Missbrauchs-Betroffenen beschlossen, die schon lange gefordert wurden. So soll es künftig eine Betroffenen-Vertretung für die gesamte Landeskirche geben. Außerdem sollen Betroffene schon auf der Herbstsynode selbst vor der Synode sprechen dürfen und auch von den Fachausschüssen angehört werden. Auch die Sprachfähigkeit der Synodalen soll in Schulungen verbessert werden.

Doch Verbesserungen in der Struktur allein würden nicht genügen, kritisierte Nancy Janz. „Es geht um eine Haltungsänderung, die einen Kulturwandel in der Kirche einläuten kann.“ Es seien Vorbilder nötig, die andere einladen, ihre eigene Haltung zu reflektieren, sagte Janz gegenüber der Evangelischen Zeitung. Vor allem den Landesbischof sieht sie hier in der Pflicht. Es brauche von Verantwortlichen mehr Empathie. Gleichzeitig dürften Betroffene jedoch nicht nur auf Verletzlichkeiten und Befindlichkeiten reduziert werden.

Es liege noch ein langer Weg vor der Kirche, hieß es von vielen Synodalen. Martin Steinke vom Landessynodalausschuss lobte das unermüdliche Engagement der Betroffenen. Sie bräuchten mehr Anerkennung. „Einige der heutigen Beschlüsse hätte es ohne die Kritik der Betroffenen nicht gegeben.“