„Wir führen aktuell eine Warteliste“: Diese Antwort bekommen viele, die sich oder ihr Kind im Vereinssport anmelden wollen. Denn es fehlen Männer und Frauen, die trainieren, betreuen, organisieren. „In keinem anderen Ehrenamtsbereich ist der Verlust an Ehrenamtlichen so gravierend wie im Sport“, sagt Jan Holze, Vorstandsmitglied der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt. „Allein in den Jahren 2014 bis 2019, also noch vor Corona, hat der Sport eine Million Ehrenamtliche verloren.“ Diese Tendenz habe sich danach noch weiter fortgesetzt.
Das bestätigen auch Zahlen des Sportentwicklungsberichts, der alle drei Jahre vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft zusammen mit dem Deutschen Olympischen Sportbund und den 16 Landessportverbänden erstellt wird. Mehr als 25 Millionen Menschen in Deutschland sind aktuell Mitglied in einem Sportverein – ein neuer Rekord. Aber mehr als die Hälfte der befragten Vereine gibt an, Probleme damit zu haben, genügend Ehrenamtliche zu finden. Ein Teil der Vereine fühlt sich wegen des Mangels an Ehrenamtlichen sogar in seiner Existenz bedroht.
Doch warum ist es so schwierig für die Vereine, Ehrenamtliche an sich zu binden? Laut Holze liege das unter anderem daran, dass insbesondere Jüngere keinen richtigen Zugang zum Ehrenamt im Sport fänden. Für die ältere Generation sei ein Engagement im sozialen Bereich oder in Kunst und Kultur attraktiver. Sprecher der Landessportbünde Nordrhein-Westfalen und Bayern vermuten, dass es für viele erwerbstätige Erwachsene schwierig sei, sich neben Arbeit und Familie Zeit für ein Ehrenamt zu nehmen. Außerdem sei die Übernahme eines Vorstandspostens in einem Sportverein immer noch mit sehr viel Bürokratie verbunden.
Die Sportbünde versuchen gegenzusteuern. In Nordrhein-Westfalen hat der Landessportbund die Werbe- und Social Media Kampagne „Offensive #Ehrenamt“ gestartet. Sie soll die Arbeit der vielen Ehrenamtlichen wertschätzen und das Ehrenamt sichtbarer machen, wie ein Sprecher sagt. Der bayerische Landessportverband bietet Lehrgänge und Fortbildungen hybrid und lokal an, damit potenziell neue Ehrenamtliche sie besser mit Beruf, Familie und Freizeit vereinbaren können, wie eine Sprecherin erklärt.
Auch die Bundesregierung versucht, das Ehrenamt wieder attraktiver zu machen. Das Bundeskabinett beschloss deswegen im September unter anderem, die steuerlich absetzbaren Übungsleiter- und Ehrenamtspauschalen im nächsten Jahr zu erhöhen. Die Staatsministerin für Ehrenamt, Christiane Schenderlein (CDU), sprach von einem „ersten Schritt, um Vereinen und Ehrenamtlichen den Einsatz für die Gesellschaft zu erleichtern“.
Stiftungsvorstand Holze sagt, es gebe „nicht die eine Strategie“, um Menschen für die Vereinsarbeit zu motivieren. „Aber deshalb den Kopf in den Sand stecken, wäre fatal.“ Am meisten Erfolg verspreche die direkte Ansprache von Personen, ist seine Erfahrung.
Der Dortmunder Manfred Koners hat das erkannt. Koners engagiert sich seit mehr als 20 Jahren ehrenamtlich im Dortmunder Verein TuS Westfalia Hombruch, trainiert zweimal die Woche die Triathlon-Kinder im Schwimmen und Rennradfahren. Er bezieht junge Leute schon früh in die Übungsleitung ein.
„Ich suche mir gezielt 12- oder 13-Jährige raus, die schon mehrere Jahre Triathlon-Erfahrung haben, und versuche, sie ins Traineramt hineinzuschieben, indem ich sie zu meinen Sporthelfern ernenne“, erzählt er. Die Jugendlichen dürfen dann selbst Übungen ansagen und die jüngeren Kinder anleiten. „Die 12- und 13-Jährigen sind immer ganz stolz, wenn sie mal helfen dürfen. Auch, weil die jüngeren Kinder dann zu ihnen hochschauen.“ Natürlich trage er dabei weiterhin die Verantwortung: „Ich stehe im Hintergrund und passe auf, aber man muss auch ein wenig Vertrauen in die Jugendlichen haben, ihnen etwas zutrauen.“
Und dieses Vertrauen zahlt sich aus. Aktuell hat die Abteilung Triathlon seines Vereins acht Trainer für 50 Kinder. „Die Jugendlichen fühlen sich dem Verein noch mehr verbunden und wenn sie später 18 oder 19 sind, machen einige von ihnen den Trainerschein und leiten selbst Trainingseinheiten“, sagt Koners.
Ohne ehrenamtliches Engagement geht es auch in Zukunft in Sportvereinen nicht, wie Jan Holze betont: „Bewegungs- und Gesundheitsangebote würden nicht stattfinden. Der Spielbetrieb läge lahm. Wertevermittlung – Gewinnen und Verlieren – könnte nicht stattfinden, genauso wie geselliges Zusammenkommen insbesondere älterer Menschen, die ansonsten vereinsamen könnten.“
Manfred Koners wird auf jeden Fall dabeibleiben: „Es ist einfach toll, mit den Kindern zusammenzuarbeiten. Die Weiterentwicklung der Kinder mitzuverfolgen, die sportlichen Erfolge mitzuerleben. Einfach in glückliche Gesichter zu gucken. Das macht Spaß.“