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Theologisches Studienjahr Jerusalem wird 50

In der Ausbildung angehender Theologen hat das sogenannte Jerusalemer Studienjahr schon lange einen exzellenten Ruf. Nun feiert es – wegen des Gaza-Kriegs in kleinerem Rahmen – sein 50-jähriges Bestehen mit einem Festakt.

Die Studienplätze sind heiß begehrt und werden zudem von großzügigen Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdiensten DAAD sowie der Deutschen Bischofskonferenz unterstützt. Das Lehrangebot ist auf höchsten Niveau – freilich auch fordernd. Renommierte Theologieprofessoren deutschsprachiger Universitäten reisen gerne zu ein- bis zweiwöchigen Blockveranstaltungen auf den Zionsberg. Dort hat das “Theologische Studienjahr Jerusalem” seit 1973 neben der Benediktinerabtei Dormitio am Rand der Altstadt auf dem Gelände des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande seinen Sitz.

Legenden ranken sich um die Entstehung der Initiative. Bei einem Wüstenaufenthalt soll der Gründer, Benediktinerabt Laurentius Klein, die Vision von einem gemeinsamen Lern- und Lebensaufenthalt katholischer und evangelischer Studierender im Land der Bibel gehabt – und den Plan dann durchsetzungsstark ausgebaut haben. Als akademischer Träger bot sich die römische Benediktiner-Hochschule Sant’Anselmo an.

Zwischen 20 und 25 Studenten können seither das Programm des Studienjahrs absolvieren, das von Anfang an ökumenisch ausgerichtet war und neben Priesteramtskandidaten sehr bald auch Laientheologen einschloss – männlich wie weiblich. Schwerpunkte sind Bibelwissenschaft, Ökumene, Ostkirchenkunde und Archäologie. Und stets spielte die Nahost-Zeitgeschichte eine gewichtige Rolle.

Abgesehen von Vorlesungen und Seminaren gehören die Exkursionen zu den Highlights, nach dem Motto: das Land der Bibel leben und erfahren. Neben den Touren in und um Jerusalem, nach Bethlehem und nach Galiläa mit dem See Genezareth, ist die einwöchige Wüstenexkursion am Beginn jedes Studienjahres ein Höhepunkt – der zugleich die Gruppendynamik befördert. Anfangs ging es in die Sinai-Wüste; infolge der politischen Gegebenheiten wich man später nach Jordanien und schließlich in die Negev-Wüste aus.

Das Studienjahr war von Anfang an eine Lern- und Lebensgemeinschaft. Die Studierenden leben zusammen mit ihren Dozenten unter einem Dach im bereits zur Gründung fertiggestellten Beth-Josef neben der Klosterkirche. Das befördert neben dem intensiven Lehrbetrieb auch den Austausch, wenn es bereits beim Frühstück mitunter um Fragen von Abendmahlgemeinschaft oder kirchlichem Ämterverständnis geht.

Dabei hatte jedes Studienjahr sein eigenes Profil, je nach Zusammensetzung der Gruppe und der Leitung. Stets gab es Gesprächsstoff um die politische Lage. Manche Linien verliefen auch zwischen Katholiken und Protestanten, zunehmend aber auch innerhalb der Konfessionen. In jedem Fall belebten sie die Diskussion und förderten den Austausch.

Das Studienjahr bewegt sich in einer heißen Konfliktregion. Wegen drohender Giftgas-Angriffe des Irak-Kriegs wurde der Jahrgang 1990/91 in Trier und Wien zuende geführt. Das Jahr 2001/02 musste infolge der zweiten Intifada ganz abgesagt werden. Und wegen Corona wechselte der Ausbildungsgang 2020/21 nach Rom. Das förderte die Bindung an die Träger-Hochschule Sant’Anselmo und erweiterte den Blick auf die Anfänge der Kirchengeschichte.

Das Jerusalemer Studienjahr hat einen akademisch exzellenten Ruf. Viele seiner Absolventen sind heute in Leitungspositionen im Lehr- und Studienbetrieb – nicht wenige als Professoren – oder im Kirchendienst tätig. Auf jeden Fall prägt es Biografien. Für viele gehört der neunmonatige Jerusalem-Aufenthalten zu den einschneidenden Erlebnissen im Leben.

Das erklärt auch das aktive Vereinsleben des “Forum Studienjahr Jerusalem e.V.”, das die Ehemaligen verbindet. “Wir versuchen, Networking zu schaffen, eine Plattform, auch ein Stück Lobbyarbeit zu betreiben, und unterstützen das Studienjahr ideell und auch finanziell”, sagte Vorstandsmitglied Karl-Heinz Richstein der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Für Ehemalige bietet es Fortbildungen, Exkursionen und auch eine Plattform für Stellenausschreibungen.

Freilich hat sich auch das Studienjahr ständig weiterentwickelt. Die Dekane setzten ihre eigenen Akzente. Neben Ökumene und Bibel kam sehr früh der Austausch mit dem Judentum hinzu und später auch die Werkwochen mit muslimischen Studenten aus Deutschland. Die derzeitige Dekanin Johanna Erzberger, eine Alttestamentlerin aus Darmstadt, hat neben Professoren aus dem deutschsprachigen Raum stärker auch Dozierende von israelischen und palästinensischen Institutionen herangezogen. Sie machen inzwischen ein Drittel des Lehrkörpers aus.

Reagieren muss das Studienjahr auf die sinkenden Zahlen der Theologie-Studierenden – und damit der potentiellen Kandidaten. Eine Absenkung der Aufnahmekriterien kommt nicht die Frage, wie Dekanin Erzberger hervorhebt. Aber kreative Vorschläge sind bereits im Gespräch.