Vor der Parlamentswahl in Österreich betonen die politischen Parteien überraschend deutlich christliche Werte. Ein Grund zur Freude sei das aber nicht, schreibt Bibelexpertin Elisabeth Birnbaum. Im Gegenteil.
Elisabeth Birnbaum, Leiterin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, hat die Rhetorik vor der Parlamentswahl am Sonntag (29. September) kritisiert. Politiker verschiedener Parteien würden zwar ihre Nähe zu den Kirchen betonen. Aber: “Es macht mich unendlich traurig zu sehen, wie Christentum zu einer Dagegen-Religion gemacht wird”, schrieb sie in einem Beitrag (Freitag) auf dem Portal “feinschwarz”.
Christliche Traditionen würden als Waffe im Kulturkampf gegen Fremde instrumentalisiert und biblische Kernbotschaften ins Gegenteil verkehrt. Auch würde der Eindruck erweckt, “Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung, Hass und das Schüren von Ängsten gingen mit dem Christentum konform”, so Birnbaum.
So erwähne die Österreichische Volkspartei (ÖVP) das Beispiel des Heiligen Martin, allerdings in leicht abgewandelter Form. “Leider verrät die Betonung des Satzes: ,Der Heilige Martin hat seinen Mantel zerteilt’, dass er damit nicht das barmherzige Teilen von Ressourcen einfordert”, so Birnbaum. Der Satz falle vielmehr im Kontext von Kritik an der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ). Nach Meinung der ÖVP tue diese zu wenig für die Wirtschaft und solle nicht nur umverteilen.
Andreas Babler, Spitzenkandidat der SPÖ, habe in einem Fernsehduell gesagt, als Kind Ministrant gewesen zu sein. Auch betone man, dass die Partei in ihrem Bemühen um Minderprivilegierte auf der gleichen Ebene wie die Caritas handele. “Das ist schön. Doch im Kontext des Gesprächs geht es eigentlich darum, die ÖVP in ihrem Selbstverständnis als christlich-soziale Partei zu desavouieren”, kritisiert Birnbaum.
Die rechtspopulistische Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) nutze schon seit Jahren Bibelzitate. 2013 stand, so schreibt Birnbaum, auf einem Wahlplakat. “,Liebe deinen Nächsten! – für mich sind das unsere Österreicher!’. Daneben machte ein weiteres Plakat den Kontext klar: ,Asylbetrüger müssen gehen’.” Dieses Jahr nutzte die FPÖ mit Anspielung auf das Vaterunser ein Plakat mit der Aufschrift: “Euer Wille geschehe!”
Nach Einschätzung Birnbaums werden christliche Werte damit für Wahlkampfrhetorik instrumentalisiert und biblische Botschaften in ihr Gegenteil verkehrt. Auch verspreche die FPÖ quasi an Gottes Stelle, den Willen des Volkes geschehen zu lassen.