Ein Schreiben von Papst Franziskus zum Nahost-Krieg enthält aus Sicht zweier deutscher Theologieprofessoren einen “blinden Fleck im Denken”. Seine Formulierungen ähnelten einer Täter-Opfer-Umkehr.
Zwei katholische Hochschullehrer werfen Papst Franziskus eine einseitige Sicht auf den Nahost-Konflikt vor. Rene Dausner und Christian Frevel bewerten ein Schreiben des Papstes an Katholiken im Nahen Osten als Belastung für den jüdisch-christlichen Dialog. “Der Brief nimmt nur die eine Seite des Leidens in den Blick und macht implizit die Gegenseite zu den Verursachern”, argumentieren Dausner und Frevel in einem Gastbeitrag für die Zeitschrift “Publik Forum” (Freitag).
In dem kritisierten Papst-Schreiben sei nur das Leid der palästinensischen Bevölkerung erwähnt. Israel tauche in dem Brief nicht auf. “Es gibt also einen blinden Fleck im Denken des Argentiniers”, betonen die Theologen. Papst Franziskus stammt aus Argentinien. “Durch die Offenheit der Formulierungen und die Vielzahl der aufeinander folgenden Metaphern schafft der Brief Interpretationsspielräume, die nolens volens auf eine Täter-Opfer-Umkehr zulaufen”, so der Vorwurf von Dausner und Frevel.
Die beiden Autoren kritisieren, Papst Franziskus nutze mit antijüdischen Klischees. Das widerspreche der gesamtkirchlichen Haltung gegenüber dem Judentum nach der Schoah. Dausner und Frevel werfen dem Papst auch vor, die “antijudaistischste Stelle im Neuen Testament” zu zitieren, ein Streitgespräch zwischen Juden und Jesus im Johannes-Evangelium.