Der evangelische Theologe Reiner Amsel hat zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Mythen zur Künstlichen Intelligenz (KI) aufgefordert. Wer die Möglichkeiten der KI nutze, müsse auch Grenzen und Heilsversprechen, die mit ihr verbunden seien, nennen und ihnen entgegengetreten, sagte er in seiner Kanzelrede am Sonntag in der Dreieinigkeitskirche in Regensburg laut Redemanuskript.
Die Erzählungen zu dieser Superintelligenz liefen nach dem Muster ab, dass der Mensch und sein Geschöpf, die Maschine, zunächst gleichgestellt seien, die Maschine dann aber Macht über den Menschen gewinne. Tragik dieser Vorstellungen sei, dass die Menschen dabei auf eine Simulation hereinfielen: „Wir meinen, einen wahren intelligenten Menschen vor uns zu haben, aber tatsächlich wird uns dies nur vorgespiegelt“, sagte Anselm, der den Lehrstuhl für Systematische Theologie und Ethik an der LMU München innehat. Solange der Mensch nicht durchschaue, was die KI wirklich sei, nämlich ein Werkzeug, bleibe er in dieser Tragik gefangen.
Der Theologe kritisierte, dass technische Schöpfungsvorstellungen „auf Unfreiheit und Unterwerfung des Menschen“ beruhten. „Sie nimmt mir Arbeit ab, aber sie setzt auch die Spielregeln, nach denen ich mich zu verhalten habe“, sagte Anselm in seiner Kanzelrede mit dem Titel „Mythos Maschine. KI und christliche Freiheit“. Als Beispiele nannte er automatisch fahrende Autos oder automatisierte Waffensysteme. Die moderne Freiheitsgeschichte werde mit solchen Systemen in ihr Gegenteil verkehrt, sagte er.
Die christliche Schöpfungsvorstellung stehe dem entgegen. In ihrem Zentrum sei eine „Ermöglichung von Freiheit“ verankert und Maschinen seien in ihr „Werkzeuge zur Verbesserung der Freiheit, nicht zur Überwältigung“, sagte er. Die christliche Botschaft liefere ein „Koordinatensystem, das zu einem souveränen, die Möglichkeiten der KI ins richtige Licht rückenden Umgang“ verhelfen könne. Sie stelle dem Mythos und den Erzählungen von der KI eine „Haltung der Gelassenheit aus Freiheit“ entgegen. Dabei spielten „Freiheit und Fehlbarkeit und damit die Menschlichkeit von Entscheidungen“ eine zentrale Rolle, sagte Anselm.
Mit dem Thema „Künstliche Intelligenz in der Kirche“ befasst sich bis zum 30. Juni eine Projektwoche in der evangelischen Dreieinigkeitskirche in Regensburg, in deren Rahmen auch die Kanzelrede stattfand. Neben Vorträgen und Podiumsdiskussionen präsentieren die Veranstalter, zu denen auch die Stadt Regensburg gehört, zwei bunte Kirchenfenster, die von einer KI entworfen wurden. Sie sind während der Sommermonate im Kirchenraum zu sehen. (00/1918/23.06.2024)