Der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke hat Äußerungen des deutschen Kurienkardinals Gerhard Ludwig Müller zu den Machtbefugnissen des Papstes widersprochen. Anders als von Müller dargestellt, könne der Papst “sehr wohl und jederzeit ‘nach Gutdünken'” Bischöfe ab- oder versetzen, erklärte Lüdecke in einem Gastbeitrag für das Portal katholisch.de (Donnerstag).
Nach dem Dogma des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70) erstrecke sich die volle Leitungs- und Disziplinargewalt des Kirchenoberhaupts “auf alle und jeden einzelnen Hirten auf der ganzen Welt”, führte der Bonner Kirchenrechtler weiter aus. Auch Diözesanbischöfe blieben für den Papst dementsprechend “disponibel”: “Er kann geben oder nehmen, wie er meint, dass es dem Wohl der Kirche am besten dient.”
Müller hatte kürzlich im Interview der “Rheinischen Post” den Umgang von Papst Franziskus mit dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sowie dem ehemaligen Privatsekretär von Papst Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, in Frage gestellt. In Woelkis Fall sei keine päpstliche Entscheidung über dessen Amtsverzicht notwendig, da dieser sich nichts habe zuschulden kommen lassen, wofür “etwa eine kanonische Untersuchung oder ein kanonisches Gerichtsverfahren in Gang gesetzt werden müsste”, so der Kardinal. Der Umgang mit Gänswein, der nach seiner Rückkehr ins Erzbistum Freiburg bislang keine Funktion zugewiesen bekommen hat, sei “keine Reklame für die katholische Soziallehre”, kritisierte Müller.
Wörtlich erklärte Müller: “Der Bischof ist Mitbruder des Papstes im Bischofsamt und nicht sein Angestellter. Auch ein Bischof kann nicht willkürlich vom Papst abgesetzt und versetzt werden.” Lüdecke wirft dem Kardinal “ein falsches Verständnis des Bischofs- wie des Papstamtes” vor. Das sei umso überraschender “bei einem Ex-Diözesanbischof und Kardinal”.