Als Kardinalstaatssekretär war Tarcisio Bertone einer der engsten Mitarbeiter von Papst Benedikt XVI. Die Amtszeit des italienischen Salesianers prägten Verdienste und manche Pannen. Am 2. Dezember wird er 90 Jahre alt.
Sieben Jahre lang, von 2006 bis 2013 war Tarcisio Bertone der mächtigste Mann im Vatikan – nach dem Papst. Als Kardinalstaatssekretär begleitete er Benedikt XVI. durch fast die gesamte Amtszeit. Bertone galt als scharfsinniger Theologe und kompetenter Kirchenrechtler. Allerdings fehlten ihm zunächst diplomatische Erfahrungen und die Vernetzung im Vatikan.
Als der deutsche Kurienkardinal Joseph Ratzinger im Konklave 2005 an die Spitze der Weltkirche gewählt wurde, wollte er als Staatssekretär unbedingt einen Italiener. Für 17 Monate beließ er noch den unter Johannes Paul II. lange mitregierenden Angelo Sodano im Amt, mit dem er als Präfekt der Glaubenskongregation einst manchen Strauß ausgefochten hatte – um die Schwangerschaftskonfliktberatung oder zum Vorgehen bei Missbrauchsskandalen. 2006 machte Benedikt XVI. dann mit Bertone einen alten Vertrauten zu seinem “Alter Ego”.
In der Glaubenskongregation war der hochgewachsene und sportbegeisterte Piemontese bereits von 1995 bis 2002 Sekretär und damit “zweiter Mann” hinter dem Kardinalpräfekten Ratzinger. Er erledigte für ihn viele wichtige und heikle Missionen, etwa die Veröffentlichung des Dritten Geheimnisses von Fatima (2000). Dann bemühte er sich um die kirchliche Wiedereingliederung des zur Moon-Sekte abgewanderten Erzbischofs Emmanuel Milingo – letztlich vergeblich. Und er traf sich zu einer zweistündigen Begegnung mit Kubas Fidel Castro.
Benedikt XVI. suchte für sein wichtigstes Kurienamt einen Mann seines Vertrauens, zugleich wollte er die theologische Kompetenz an der Spitze des vatikanischen Leitungsapparats stärken. Allerdings waren Bertones Aufgabenumschreibung und Zielvorgaben zu Beginn offenbar nicht klar. Anstelle des Papstes machte er häufig Auslandsbesuche, von Kroatien über Weißrussland bis Kasachstan. Damit fehlte er oft in der vatikanischen Zentrale, die damals noch wenig digital vernetzt war. Es knirschte mehr als einmal im Leitungsapparat, etwa bei der Affäre um den Traditionalisten-Bischof und Holocaustleugner Richard Williamson.
Und auch im “Vatileaks-Skandal”, als ein Butler vertrauliche Papiere vom Papst-Schreibtisch stahl, mangelte es an Krisenmanagement. Allmählich aber fasste das Team Bertone Tritt, auch durch personelle Neubesetzungen, bevorzugt mit Norditalienern. Die diplomatische Bilanz Bertones konnte sich sehen lassen. In Italien bestimmte wieder der Vatikan anstelle der Bischofskonferenz den Kurs gegenüber der Regierung. Und anders als sein Nachfolger Pietro Parolin war Bertone auch noch für die vatikanischen Wirtschafts- und Finanzbelange zuständig.
Tarcisio Bertone wurde am 2. Dezember 1934 als fünftes von acht Kindern in der Provinz Turin geboren. Nach Studien an den Salesianer-Hochschulen in Turin und Rom empfing er 1960 die Priesterweihe und promovierte in Kirchenrecht. Danach lehrte er als Professor an der Lateran- und an der Salesianer-Universität – deren Rektor er 1989 wurde. Er war auch an der Neufassung des kirchlichen Gesetzbuches von 1983 beteiligt.
1991 begann sein rasanter Aufstieg in der Kirchenhierarchie. Er wurde Erzbischof im piemontesischen Vercelli, nach vier Jahren versetzte Johannes Paul II. ihn an die Glaubensbehörde in Rom, 2002 dann in die Kardinals-Stadt Genua. Aber auch dort blieb er nur vier Jahre.
Der Rückblick auf Bertones Amtszeit fällt inzwischen milder aus. Der Salesianer-Kardinal sei oft voreilig zum Sündenbock für kuriale Pannen gemacht worden, hört man, in Wahrheit habe es oft strukturelle Mängel gegeben. Auf jeden Fall hielt Benedikt XVI. unbeirrt an seinem Vertrauten fest. Und auch Papst Franziskus übernahm Bertone noch ein halbes Jahr in seine Dienste.
Seit etlichen Jahren es ist still geworden um ihn. Er ist inzwischen stark sehbehindert und auf Begleitung und Hilfe angewiesen. Im Gegensatz zu einigen gleichaltrigen römischen Kardinälen wie Camillo Ruini und Giovanni Battista Re verzichtet er auf Kommentare zu Italien und zur Welt.
In die Schlagzeilen geriet der Ruheständler aber noch mit seinem Alterssitz und dessen Renovierungskosten. Anders als für die Vorgänger war für den Ex-Staatssekretär im Vatikan kein Penthouse in Top-Lage frei. Und so ließ er zwei bescheidenere und wenig attraktiv gelegene Dienstappartements im Palazzo San Carlo zusammenlegen. Damit kam er auf etwa 500 Quadratmeter Wohnfläche, die er mit zwei haushaltsführenden Ordensschwestern bezog. In die Ära der “neuen Bescheidenheit”, die Papst Franziskus mit dem Einzug in eine 80-Quadratmeter-Suite im vatikanischen Gästehaus einläutete, passte das freilich nicht mehr.