Artikel teilen:

Täterliste: Bistum Aachen will Missbrauchs-Betroffene unterstützen

Das Bistum Aachen will Betroffene sexualisierter Gewalt ermutigen, sich zu melden. Deshalb seien nun 53 Namen von Tätern und mutmaßlichen Tätern veröffentlicht worden. Betroffene sollten die Möglichkeit erhalten, „aus dem Dunkelfeld herauszutreten und die eigene Leidensgeschichte zu bearbeiten“, sagte Bischof Helmut Dieser am Mittwoch in Aachen vor Journalisten.

Auf der Namensliste – nachzulesen im Internet unter www.bistum-aachen.de – stehen 52 Priester und ein Laie. Auch der 1986 verstorbene Weihbischof August Peters ist als mutmaßlicher Täter aufgeführt. Die Veröffentlichung sei unabhängig vom Rang, betonte Bischof Dieser.

Die Veröffentlichung der Namen mit Angabe der Gemeinde, wo der mutmaßliche Täter zur fraglichen Zeit Pfarrer war, ist unter den katholischen Bistümern etwas Neues. Generalvikar Andreas Frick erläuterte die Kriterien: Die Liste umfasst Täter, also von staatlichen oder kirchlichen Gerichten einschlägig rechtskräftig Verurteilte. Als mutmaßliche Täter gelten diejenigen, zu denen im Bistum mindestens ein Antrag auf Anerkennung des erlittenen Leids vorliegt. Alle Genannten sind seit mehr als zehn Jahren tot.

Der Bischof beschrieb die Abwägungen, die dem Schritt vorausgegangen waren: Datenschutzrechte, die Unschuldsvermutung bei fehlenden Beweisen und die Gefahr der Stigmatisierung auf der einen Seite, andererseits die Erwartung von Aufarbeitung und Gerechtigkeit. Generalvikar Frick: „Wir hoffen, dass sich durch die Veröffentlichung von Namen weitere Betroffene jetzt aus dem Dunkelfeld heraustrauen, ihre Belastung, ihr erlittenes Leid nennen und bearbeiten können und dafür Unterstützung und Anerkennung des Leides erhalten.“

Der Bischof gab sich überzeugt, dass die Strategien der Täter, mit denen sie ihre Verbrechen anbahnen und wiederholt begehen konnten, heute nicht mehr unbemerkt und ohne Konsequenzen blieben. In allen Gemeinden und Einrichtungen des Bistums gebe es inzwischen Schutzkonzepte.

Dem Bistum Aachen sind den Angaben nach 267 Betroffene namentlich bekannt. 140 Betroffene haben einen Antrag auf Anerkennung des Leids gestellt. 131 Anträge sind davon durch die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen auf Bundesebene positiv beschieden worden. Die übrigen werden noch bearbeitet. Seit Gründung des Bistums Aachen im Jahr 1930 sind 126 Täter und Beschuldigte bekannt, davon 115 Kleriker und Ordensschwestern. Elf Täter und Beschuldigte sind Nicht-Kleriker wie Erzieher, Hausmeister, Religionslehrer oder ehrenamtlich Tätige. Das Bistum Aachen hat bis Ende Juni dieses Jahres 2,355 Millionen Euro an Anerkennungsleistungen gezahlt. Eine Höchstgrenze für Anerkennungsleistungen gibt es nicht.

Noch vor etwa drei Jahren hatte ein Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl für das Bistum Aachen mindestens 175 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch insgesamt 81 Kleriker seit 1965 benannt. Die Gutachter hatten den jeweiligen Kirchenleitungen vorgeworfen, die Täter geschützt, die Opfer hingegen ignoriert zu haben.