Ein SS-Massaker vor 80 Jahren nahe Rom spielt in Italiens Erinnerungspolitik eine zentrale Rolle. Auch der Kulturbetrieb widmet sich dem Verbrechen, bei dem 335 Zivilisten hingerichtet wurden.
Zum ersten Mal wird in Italien eine Symphonie in Erinnerung an ein SS-Massaker nahe Rom aufgeführt. Der italienische Dirigent Riccardo Muti leitet am Sonntag ein Konzert in der italienischen Hauptstadt bei der das Orchester die 9. Symphonie des US-Komponisten William Schuman spielt. Diese musikalische Erinnerung sei nicht zufällig von einem Juden komponiert worden, sagte Muti im Interview der italienischen Tageszeitung “La Repubblica” (Freitag). Das Stück sei bedeutsam angesichts der tragischen Gegenwart und eines allgemeinen kulturellen Desinteresses.
Seine 9. Symphonie mit dem Titel “Fosse Ardeatine” stellte Schuman 1968 fertig. Laut Muti wurde sie in Italien bislang noch nie aufgeführt. Das Werk erinnert an ein Massaker vor 80 Jahren: In den Ardeatinischen Höhlen bei Rom wurden am 24. März 1944 unter Leitung von SS-Kommandant Herbert Kappler 335 italienische Zivilisten erschossen. Es handelte sich um eine Vergeltungsaktion für einen Partisanenanschlag in Rom, bei dem 35 Menschen getötet und 67 verletzt worden waren.
Angesichts heutiger Krisen und Kriege warnte Muti davor, in den “Abgrund zurückzurutschen”. Er sagte: “Gewalt ist zu verurteilen, egal in welche Richtung sie geht: gegen Israel oder gegen die Menschen in Gaza.” Der Dirigent rief dazu auf, zu einem Klima der Gelassenheit, der Freiheit und des Friedens zurückkehren.
Zum 80-jährigen Gedenken an das SS-Massaker reist auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) nach Rom. Sie nimmt am Sonntag an einer Veranstaltung in den Ardeatinischen Höhlen teil. Dort befindet sich heute ein Mausoleum, das in Italien als Symbol für die Gräueltaten der deutschen Besatzung gilt.