Wie stark beeinflusst der Algorithmus der Plattform X die politische Haltung der Nutzer? Eine neue US-Studie blickt auf die Sortierung von polarisierenden Beiträgen – und ist teils auch auf Deutschland übertragbar.
Polarisierende Beiträge in Sozialen Medien können die Meinung der Nutzer zu politisch Andersdenkenden zumindest kurzzeitig stark beeinflussen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie aus den USA, wie das Science Media Center Germany am Donnerstag in Köln mitteilte. Für die Studie sortierten die Forscher die angezeigten Inhalte für Nutzer der Plattform X um.
Mehr als 1.000 Teilnehmer, die sich politisch entweder zu den Demokraten oder den Republikanern zählten, wurden dabei in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe bekam polarisierende Beiträge weiter vorne, die zweite Gruppe weiter hinten angezeigt. Da die Teilnehmer die App der Plattform täglich für etwa 20 Minuten nutzten, sah die erste Gruppe mehr polarisierende Inhalte als die zweite. Die gezeigten Inhalte beinhalteten parteipolitische Feindseligkeiten.
Die Mitglieder der Gruppe, die mehr polarisierende Posts angezeigt bekamen, fühlten sich am Ende laut der Studie distanzierter gegenüber Mitgliedern der jeweils anderen Partei als vor dem Experiment. Im Gegensatz dazu gab die Gruppe mit weniger polarisierenden Posts an, sich nun Mitgliedern der anderen Partei etwas näher zu fühlen. Die Nutzer hatten zwar dem Experiment zugestimmt, seien aber nicht über die genauen Auswirkungen auf ihre Feeds – also die individuellen Sortierungen der Inhalte – informiert worden, so die Forscher.
“Die Studie macht damit deutlich, dass schon kleine algorithmische Eingriffe messbar die Gefühle gegenüber der politischen Gegenseite verschieben”, sagte Josephine Schmitt, wissenschaftliche Koordinatorin am Center for Advanced Internet Studies in Bochum. “Das stützt die grundsätzliche Aussage: Feed-Sortierung ist nicht neutral, sie wirkt auf Emotionen und damit auf affektive Polarisierung.”
Auf Deutschland ließen sich die Ergebnisse nur eingeschränkt übertragen, so Schmitt. Durch das Vielparteiensystem hierzulande gebe es ein schwächeres dualistisches Denken in der Politik. Außerdem spiele die Plattform X im deutschen Medienalltag eine kleinere Rolle als in den USA. Der prinzipielle Mechanismus der sich verstärkenden negativen Gefühle durch polarisierende Posts sei aber übertragbar.
Die Untersuchung lief eine Woche im Juli und August 2024 während des Wahlkampfs der US-Präsidentschaftswahl – und könne so nur kurzzeitige Effekte erfassen, sagte Schmitt. Die Studie ist in der Fachzeitschrift “Science” erschienen.