Die katholische und die evangelische Kirche in Sachsen haben eine Analyse zu den Wahlprogrammen von sechs Parteien vorgelegt. Die 36-seitige Studie des Sozialwissenschaftlers und katholischen Moraltheologen Peter Schallenberg wurde am Dienstagabend im sächsischen Bautzen vom Autor vorgestellt. Sie vergleicht Grundpositionen der aussichtsreichsten Parteien zur Landtagswahl am 1. September mit christlichen Werten.
Schallenberg sagte: „Keine der gegenwärtigen Parteien setzt die christlichen Wertevorstellungen in ihrem Wahlprogramm vollumfänglich um.“ Reibungspunkte seien in allen Programmen zu finden. „Dennoch sollte es für Christinnen und Christen selbstverständlich sein, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und ihre Stimme abzugeben“, sagte Schallenberg, der Inhaber des Lehrstuhls für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät Paderborn ist.
Die Studie analysiert die Wahlprogramme von AfD, BSW, CDU, Linke, Grünen und SPD. Untersucht wurden unter anderem Vorschläge zu Bildungspolitik, Familien- und Gesundheitspolitik, Integrationspolitik sowie Klima- und Umweltpolitik auf Grundpositionen christlicher Sozialethik.
Laut Schallenberg kommt etwa das Wahlprogramm der AfD in Sachsen „erstaunlich zahm daher“. Allerdings gebe es Positionen, die „keinesfalls dem sozialethischen Ziel“ entsprechen und auch keine Teilhabe- und Bildungschancen eröffneten. Auffällig sei, dass das AfD-Programm „einen konsistent kritisch-ausgrenzenden Blick auf Kinder mit Migrationshintergrund wirft“. Das sei völkisch-nationalistisch.
Es gehe nicht an, auf dem Rücken der Kinder ein Problem der Migration lösen zu wollen, sagte Schallenberg. Auch die AfD-Forderungen, Moschee-Verbände zu überwachen und den Bau neuer Moscheen in Sachsen zu verhindern, seien „in ihrer Pauschalität zu verurteilen“.
Eingeladen zu der Veranstaltung hatten die Beauftragten der evangelischen und katholischen Kirche beim Freistaat Sachsen, Oberkirchenrat Christoph Seele und Ordinariatsrätin Daniela Pscheida-Überreiter. Nach der Vorstellung der Studie diskutierte Schallenberg mit Vertretern der Region.
Dabei sagte der Löbauer Kirchenmusikdirektor Christian Kühne, es fehle an Vertrauen in die Politik. Auch müsse die Gesellschaft diskursfähig bleiben. „Das, was uns bewegt, dürfen wir nicht für uns behalten, auch dort nicht, wo Gespräche keinen Spaß machen“, sagte Kühne. Es sei wichtig, sich auch unbequemen Diskussionen zu stellen. Für den Geschäftsführer des Sorbischen Schulvereins Bautzen, Andreas Oschika, geht es auch um die Frage der Umverteilung von Ressourcen, gerade für ländliche Räume.
Die vorgelegte Studie ist laut den Kirchen keine Wahlempfehlung, sondern eine Hilfe für die persönliche Wahlentscheidung. Etwa ein Viertel der sächsischen Bevölkerung gehört einer christlichen Kirche an.
Entstanden ist die Analyse auf Anregung des Katholischen Büros in Kooperation mit dem Evangelischen Büro sowie der Katholischen Erwachsenenbildung. Weitere Veranstaltungen zum Wahlprogramm-Check hatten die kirchlichen Beauftragten für Mittwoch in Schwarzenberg und für Donnerstag in Leipzig geplant.