Immer wieder gehen derzeit Menschen für ein demokratisches Deutschland auf die Straße. Viele beschreiben den Wunsch, dass eine breite Bewegung bestehen bleibt. Fachleute sehen indes auch eine Gefahr.
Viele Teilnehmende haben die bundesweiten Proteste gegen Rechtsextremismus als befreiend erlebt. Das geht aus einer Studie des Rheingold-Instituts hervor, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Damit verbunden sei der große Wunsch, dass der Effekt der Proteste nicht verpuffe, sondern dass daraus eine breite Welle entstehe, erklärte der Psychologe und Gründer des Marktforschungsinstituts, Stephan Grünewald.
Zuvor sei häufig das Gefühl beschrieben worden, in einem krisenhaften Alltag festzustecken, so der Experte. Die “Potsdamer Runde mit völkischen Tabubrüchen” habe hier wie ein Weckruf gewirkt.
Nach Recherchen des Netzwerks Correctiv war ein Treffen Rechtsextremer im November in Potsdam bekanntgeworden, an dem auch hochrangige AfD-Mitglieder teilnahmen. Dabei sei es unter dem Schlagwort “Remigration” (Rückwanderung) um eine Strategie für eine massenhafte Umsiedlung von Migrantinnen und Migranten gegangen. Nach Bekanntwerden der Recherchen demonstrierten in jüngster Zeit Hunderttausende Menschen gegen Rechtsextremismus.
29 Prozent der Befragten können sich demnach vorstellen, künftig wieder an entsprechenden Demos teilzunehmen. Grünewald warnte zugleich davor, dass extreme Gruppierungen die Proteste kapern könnten: “Das würde eher Ängste vor weiterer Polarisierung schüren und rechts-völkigschen Gruppierungen in die Hände spielen.” So sei vereinzelt etwa von Aufrufen zur Auflösung der Polizei während der Proteste berichtet worden.
Eine Mehrheit der Befragten, nämlich 70 Prozent kritisierte die “mitunter zänkische Haltung” der Ampel-Regierung als mitverantwortlich für das Erstarken der AfD, wie es weiter hieß. Erwartet würden vielmehr eine “konstruktive Problemlösungshaltung” sowie Möglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger, konkret etwas zum Gelingen der Demokratie beizutragen.
Die Psychologin Birgit Langebartels berichtete zudem vom Wunsch nach Möglichkeiten zum Austausch. Begegnungen mit Menschen, mit denen man sonst weniger zu tun hätte, könnten zu neuer Zuversicht führen. Darüber hinaus hätten die Befragten über alle Parteigrenzen hinweg eine hohe Belastung im Alltag beschrieben, konkret etwa die Angst vor einem sozialen Abstieg oder Bedauern über eine sich ausbreitende soziale Kälte. “Die Krisenkaskade ist deutlich spürbar”, so Langebartels.
Für die Studie wurden den Angaben zufolge über 1.000 Menschen repräsentativ befragt; zudem gab es Tiefeninterviews und Gruppendiskussionen.