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Studie: Jugendliche schätzen ADHS falsch ein – Keine “süße Störung”

Videos zum Thema ADHS sind auf Plattformen wie Tiktok besonders beliebt. Allerdings vermitteln sie oft ein verzerrtes Bild. Fachleute fordern die Sozialen Medien nun zum Handeln auf.

Viele junge Menschen überschätzen die Verbreitung von ADHS: Das zeigt eine US-Studie, die im aktuellen Journal “PLOS One” erscheint. Wiederholte Auseinandersetzung mit dem Thema auf den Sozialen Medien verstärke diesen Eindruck, “selbst wenn die tatsächliche Prävalenz geringer ausfällt”, sagte die Unterhaltungsforscherin Kathrin Karsay dem Science Media Center. Diese liegt bei Kindern und Jugendlichen bei etwa fünf Prozent, bei Erwachsenen zwischen zwei und drei Prozent.

Auf Tiktok gilt #ADHD – die englischsprachige Abkürzung für Attention Deficit Hyperactivity Disorder – als einer der zehn häufigsten Hashtags zu Gesundheitsthemen. Soziale Medien seien eine zentrale Informationsquelle und ein Ort für Austausch, “vor allem wenn es um Gesundheitsthemen geht”, sagte Karsay. Betroffene der neurobiologischen Entwicklungsstörung würden “oft als quirlig, liebenswert und fast schon unterhaltsam dargestellt – eine ‘süße Störung’, die in kurzen, humorvollen Clips inszeniert wird.” So könne ein romantisierendes und verharmlosendes Bild entstehen.

Die Kommunikationswissenschaftlerin Paula Stehr bezeichnete es als besorgniserregend, dass in den untersuchten Videos “viele und zum Teil falsche Symptome angesprochen, aber kaum Hinweise zum Umgang mit ADHS gegeben werden”. Untersucht wurden laut Angaben die beliebtesten Videos, die Nutzerinnen und Nutzern unter dem Schlagwort #ADHD vorgeschlagen werden. Diese waren im Schnitt 38,3 Sekunden lang, wurden rund fünfeinhalb Millionen Mal angeklickt und knapp eine Million Mal gelikt.

Psychologen bewerteten über die Hälfte der in den Videos angesprochenen Symptome als nicht-ADHS-spezifisch – die meisten (68,5 Prozent) bildeten eher “normale menschliche Erfahrungen” ab. In einem zweiten Schritt bewerteten Freiwillige jeweils die fünf am besten und am schlechtesten bewerteten Videos und kamen zu ähnlichen, wenn auch weniger deutlichen Ergebnissen.

Sinnvoll wäre laut Stehr ein professionelles Gesundheitsmanagement auf Plattformen wie Tiktok. Angesichts langer Wartezeiten auf Therapieplätze sei es nicht verwunderlich, dass sich viele Menschen um Selbstdiagnosen bemühten, sagte sie: “Eine tatsächliche Diagnose kann jedoch nur durch Personen mit der entsprechenden Qualifikation erfolgen.”