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Studie: Einsamkeit betrifft nach Corona verstärkt junge Menschen

Bis zu einem Viertel der Menschen in Deutschland leiden laut Studien an Einsamkeit. Lange wurde sie als Problem älterer Generationen missverstanden – tatsächlich sind inzwischen vor allem Jüngere betroffen.

Jeder fünfte Jugendliche in Nordrhein-Westfalen fühlt sich sehr einsam: Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Landesregierung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes am Freitag in Berlin vorstellte. Offenbar habe sich Einsamkeit durch die Corona-Pandemie insbesondere unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen stärker verbreitet.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnete Einsamkeit als “heimliche Pandemie”. Sie wirke sich negativ auf das Leben der Betroffenen aus, fordere aber auch das Gesundheits- und Sozialsystem heraus. Wenn Menschen sich immer mehr einigelten, könne sogar die Demokratie austrocknen.

Studienautorin und Psychologin Maike Luhmann erklärte, Einsamkeit sei eine Erfahrung, die zum Leben dazugehöre. “Aber aus starker Einsamkeit kommen viele nicht mehr heraus.” Es gehe dabei nicht um Menschen, die mit wenigen Sozialkontakten zufrieden seien und auch nicht um freiwilliges Alleinsein, sondern um ein “tiefes, schmerzhaftes Gefühl”.

Untersucht wurde auch, wie Betroffene mit ihrer Einsamkeit umgehen. Zu den wirksamsten Strategien zählten demnach Sport, Musik hören oder Kontakt mit Bekannten – auch online. Männliche Befragte gaben deutlich häufiger an, sich mit Videospielen abzulenken. Exzessive Mediennutzung könne insbesondere bei jüngeren Menschen aber auch problematisch werden; zugleich fühlten sich viele Befragte etwa über Messenger-Dienste mit anderen verbunden. Auch stünden Tätigkeiten, die alleine durchgeführt werden, etwa künstlerische Aktivitäten oder Sport, weniger im Zusammenhang mit Einsamkeit.

Die Psychologin Franca Cerutti wies auf eine Wechselwirkung hin: So fühlten sich einsame Menschen von den Konflikten in der Welt und auch von persönlichen Krisen oftmals stärker herausgefordert. Zugleich zögen sich Menschen, die an Depressionen oder einer Zwangsstörung litten, häufig zurück und würden dadurch einsam. Daraus könne ein “Kompetenz-Defizit” entstehen insofern, als Menschen sich irgendwann nicht mehr trauten, auf andere zuzugehen.

Ein wichtiger Schlüssel gegen Einsamkeit sind bei Jugendlichen laut Studie enge Freundschaften – Partnerschaft spiele in diesem Alter zumeist noch eine kleinere Rolle, Familie häufig keine so große mehr. Zudem seien Jugendliche mit finanziellen Problemen ebenso stärker von Einsamkeit betroffen als jene, die von Diskriminierungserfahrungen berichteten. Risikogruppen sollten daher besonders in den Blick genommen werden. Auch brauche es Orte, an denen Jugendliche nicht nur geduldet seien, sondern willkommen, mahnte Luhmann: “Bei Wind und Wetter, auch wenn sie kein Geld haben und wo sich auch Mädchen wohlfühlen.”

Wichtig wäre aus Sicht der Expertin zudem, mehr über Einsamkeit zu sprechen und mehr Wissen zu vermitteln: Dies könnte das Stigma aufbrechen, das noch immer mit Einsamkeit einhergehe. – Befragt wurden in zwei Stichproben 950 Personen zwischen 16 und 20 Jahren sowie knapp 1.250 Achtklässler.