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“Striesener Erklärung”: Politiker stellen sich gegen Gewalt

Politikerinnen und Politiker der großen demokratischen Parteien haben gemeinsam Gewalt in der politischen Auseinandersetzung scharf verurteilt. In der „Striesener Erklärung“ heißt es: „Wir lassen nicht zu, dass Menschen, die unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten wollen, von Demokratiefeinden mit Gewalt von der Straße vertrieben werden.“ Am Montagmorgen hatten etwa 200 Politikerinnen und Politiker den Appell unterzeichnet, etwa die SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie die Bundestagsvizepräsidentinnen Yvonne Magwas von der CDU und Katrin Göring-Eckardt von den Grünen.

Indessen forderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor dem Sondertreffen der Innenminister von Bund und Länder am Dienstag mehr sichtbare Polizeipräsenz, um demokratisch engagierte Menschen an Wahlkampfständen und bei Veranstaltungen zu schützen. „Die äußerst brutale Gewalttat gegen den sächsischen Europaabgeordneten Matthias Ecke zeigt, wo politische Aggression hinführt“, sagte Faeser der „Rheinischen Post“ (Montag). „Dieser Eskalation antidemokratischer Gewalt müssen wir uns politisch und rechtsstaatlich entgegenstellen.“

Die am Wochenende veröffentlichte „Striesener Erklärung“ wurde nach Angaben der Organisation Brand New Bundestag bis Montagmorgen von mehr als 4.900 Menschen unterzeichnet. Brand New Bundestag bezeichnet sich als unabhängige und überparteiliche Organisation, die sich für zukunftsorientierte Politik einsetzt und Menschen aus unterrepräsentierten Gruppen bei ihrem Weg in politische Ämter unterstützt. Zu den Mitunterzeichnern gehören auch FDP-Chef Christian Lindner und die Linken-Vorsitzende Janine Wissler.

Anlass für die Erklärung ist der Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke. Er war am Freitagabend im Dresdner Stadtteil Striesen beim Aufhängen von Wahlplakaten angegriffen und schwer verletzt worden. In der Nacht zum Sonntag stellte sich ein 17-Jähriger als mutmaßlicher Angreifer der Polizei. Auch ein 28-jähriger Wahlhelfer der Grünen war nahezu zeitgleich im selben Stadtteil beim Aufhängen von Plakaten angegriffen worden. Am 9. Juni wird neben der Europawahl in Sachsen auch über die künftige Zusammensetzung der Kreistage und Stadträte sowie Gemeinde- und Ortschaftsräte abgestimmt. Auch aus anderen Regionen wurden vergangene Woche Angriffe auf Politiker gemeldet, etwa aus Essen.

Faeser betonte die Notwendigkeit einer harten Auseinandersetzung mit extremistischen Kräften: „Politisch müssen wir die Mitverantwortung derer sehr deutlich benennen, die vor allem vom rechten Rand aus immer hemmungsloser und skrupelloser Demokraten anfeinden und diffamieren.“ Man werde „keinen Millimeter gegenüber denen zurückweichen, die demokratisch gewählte Politikerinnen und Politiker einschüchtern und bedrohen“, sagte sie.

In der Striesener Erklärung heißt es: „Der Schlag ins Gesicht von Matthias Ecke war ein Schlag gegen uns alle – und gegen die Demokratie selbst.“ Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner erklären, mit einem respektvollen Umgang auch selbst dafür zu sorgen, dass die Stimmung nicht weiter aufgeheizt wird: „Wir streiten hart in der Sache, aber verbindlich im Ton.“

Der Extremismusforscher Hajo Funke sagte der „RP“, die Gesellschaft sei „zunehmend durch Polarisierung und Freund-Feind-Zuspitzungen gekennzeichnet“. Dies werde insbesondere in Wahlkampfzeiten von rechtsextremen Kräften, die etwas gegen die parlamentarische Ordnung hätten, genutzt. „Daher ist es sinnvoll, sich als demokratische Parteien stärker zusammenzuschließen und Gewalt klar auszuschließen“, betonte der Politikwissenschaftler.