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Straftaten in Wunsiedler Kinderheim – Urteil fällt am Mittwoch

Erst vergewaltigt, dann umgebracht, aber wohl nicht von demselben Täter: In der Karwoche 2023 machte der Tod eines zehnjährigen Mädchens in einem Kinderheim Schlagzeilen. Auch nach dem Prozess bleiben Fragen.

Nach einem Aufsehen erregenden Prozess wegen mehrerer Straftaten in einem Wunsiedler Kinderheim wird das Landgericht Hof am Mittwoch sein Urteil verkünden. Vor knapp einem Jahr war eine zehnjährige Heimbewohnerin nachts vergewaltigt und getötet worden. Zuvor war ein heute 26-jähriger Mann, der früher in dem Heim gelebt hatte, in die Einrichtung der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) Regensburg eingestiegen. Er ist der einzige Angeklagte.

Ein damals elfjähriger Heimbewohner soll das Mädchen erdrosselt haben, nachdem er selbst von dem Mann missbraucht worden war. Weil der Junge nicht strafmündig ist, konnte er nicht angeklagt werden. Er nahm als Zeuge und Nebenkläger an dem Prozess teil. Er gestand die Tötung, sagte aber aus, der Mann habe ihn dazu gedrängt. Das hat der Angeklagte bestritten. Die anderen ihm zur Last gelegten Taten räumte er ein.

Ein als Gutachter bestellter Aussage-Psychologe kam zu dem Schluss, dass keine der voneinander abweichenden Angaben des Jungen zum Tatablauf verwertbar seien. Dafür machte er auch die Vernehmungsmethoden der Polizei verantwortlich. Diese hätten nicht dem internationalen Standard von Kinderbefragungen entsprochen.

Die Staatsanwaltschaft sieht auch nach der Beweisaufnahme keine belastbaren Hinweise auf eine Beteiligung des Mannes an der Tötung des Mädchens. Sie hat eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren beantragt. Zusätzlich zu den Sexualstraftaten muss sich der Mann in dem Verfahren wegen mehrerer Einbruchdiebstähle verantworten. Sein Anwalt hält sechs Jahre Gefängnis für tatangemessen.

Weitere Ermittlungen wegen möglicher Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht in dem Fall laufen noch. Fragen wirft nach Medienberichten auch die Informationspolitik beteiligter Institutionen auf. Der Junge war vor seinem Aufenthalt in dem Wunsiedler Kinderheim wegen Gewalthandlungen in klinischer psychiatrischer Behandlung in Bayreuth und soll dort bis zuletzt verhaltensauffällig gewesen sein. Unklar sei, ob die Pädagogen der KJF eine angemessene Grundlage hatten, seinen Therapie- und Betreuungsbedarf richtig einzuschätzen. Auch bestehen Zweifel, ob das Heim in Wunsiedel aufgrund der Vorgeschichte des Jungen für ihn überhaupt geeignet war.