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“Sprache finden für das, was uns heilig ist”

Zum Reformationstag am Freitag haben leitende evangelische Geistliche aus Bayern an die Kraft des Glaubens erinnert. Eine neue Sprache zu finden für den protestantischen Glauben ist laut Landesbischof Christian Kopp die zentrale Aufgabe für die Christen in der digitalen Moderne. Es gelte, „Worte zu finden für das, was uns berührt, was uns heilig ist“, sagte er laut Redemanuskript beim Festakt des Dekanats Nürnberg am Freitagabend. Der Festakt bildete den Abschluss des Jubiläumsjahres „500 Jahre Religionsgespräch“.

In Nürnberg sank Kopp zufolge die Zahl der Evangelischen seit 2015 von etwa 150.000 auf heute rund 110.000. Haupttreiber für diese Entwicklung sei ein kultureller Wandel: „Wir verlieren die gemeinsame Sprache für das, was uns heilig ist“, sagte er in seinem Vortrag. Der digitale Kommunikationswandel verändere die Gefühle und das Selbstbild. Doch gerade in diesem „Dauerrauschen“ gelte es, über den Glauben zu reden – wie auch vor 500 Jahren. Reformation heiße, immer wieder neu ins Gespräch zu kommen.

1525 habe sich Nürnberg über das öffentliche Religionsgespräch darüber verständigt, evangelisch zu werden. Damals hätten die Leute ihre religiöse Sprache zurückgewonnen, sagte der Landesbischof: „Sie lasen, beteten, hörten, sangen – und verstanden sich dabei neu.“ Es gehe darum, dass Menschen wieder lernten, über Gott und seine Wirkung auf ihr Leben zu sprechen – ohne sich zu schämen oder sich hinter einer ironischen Grundhaltung zu verstecken. Das biblische Wort von Paulus „Ich schäme mich des Evangeliums nicht“ beschreibe dessen Kraft, so Kopp: „Mein Glaube ist da, wenn alles wackelt.“

Freiheit durch Zuhören und persönliche Beziehungen: Diesen Leitgedanken stellte der Regionalbischof von Schwaben und Altbayern, Thomas Prieto Peral, ins Zentrum des Reformationsgottesdiensts in Kempten. In der Multimedia-Gesellschaft seien viele Menschen über alles „informiert, aber oft nicht verbunden“, sagte der Theologe laut Redemanuskript in der St. Mang-Kirche. Apps und Chats hielten sie „gefangen in einem System ständiger Reaktion“. Doch so verlerne der Mensch, zuzuhören: „Er reagiert nur noch – das ist die neue Form von Unfreiheit“, so Prieto Peral.

Der Regionalbischof zitierte aus dem fünften Buch Mose im Alten Testament: Die Aufforderung „Höre, Israel“ sei die Einladung Gottes, „eine tägliche Neuverbindung mit der Quelle des Lebens“ einzugehen. Im Judentum sei dies durch „Erinnerungszeichen“ wie das Bibelwort am Türrahmen im Alltag integriert. „Jeder Griff an den Türrahmen, jedes Anlegen des Gebetsriemens sagt: Ich bin verbunden. Ich bin nicht allein.“ Solche Rituale und Symbole seien heute dringend nötig, denn „wer nie innehält, verliert die Verbindung – zu Gott, zu sich, zum Nächsten“.

Die Kirche muss, allen notwendigen Strukturveränderungen zum Trotz, nach Ansicht der Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski ihr Fundament stabil halten. „Denn darauf lässt sich bauen, heute und allezeit“, sagte die Theologin in ihrer Predigt in der Ansbacher St. Johanniskirche. Der christliche Glaube als Fundament habe „schon Jahrtausende überstanden und bietet immer noch Halt und Stabilität, auch wenn Kirche umgebaut werden muss“.

Veränderungen seien in der Kirche „das neue Normal“, denn dies erforderten „die Umstände unserer Zeit“, betonte die Regionalbischöfin laut Predigtmanuskript. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass jedes Jahr etwa 45.000 Menschen aus der Landeskirche austreten. Doch auch als kleiner werdende Kirche könne man die Liebe Gottes zu den Menschen bringen – indem man die Beziehungen zu den Menschen pflege, „indem wir da sind, wenn sie uns brauchen“, sagte Bornowski.

Über das Bekennen zum Glauben in seinem „ganzen Panorama“ predigte die Bayreuther Regionalbischöfin Berthild Sachs. Dieses Bekennen, um das es am Reformationstag gehe, sei keineswegs harmlos. Zu Zeiten Martin Luthers gab es Konflikte und zu Zeiten von Johann Sebastian Bach innerkirchliche Lagerkämpfe. Auch heute brauche es „zunehmend Mut“, sich zu Christus zu bekennen. „Aufmerksamkeit haben heute ja am ehesten die, die dagegen sind“, sagte Sachs laut Predigtmanuskript beim Kantatengottesdienst in der Bamberger Erlöserkirche.

Die Protestanten trügen den Protest im Namen, so die Regionalbischöfin. Doch damit sei gerade nicht das Dagegensein gemeint: Das lateinische „protestari“ bedeute „Zeuge sein für etwas, für jemanden“, für Glauben und Evangelium. Bachs Kantate „Herz und Mund und Tat und Leben“ spüre „den Facetten und Regungen, der Not und dem Glück dieses Zeugeseins“ nach. Das Festhalten an Jesus biete nicht nur Glücksmomente, es gehe auch um das „innere Ringen mit all den widerstreitenden Regungen“.

Laut Sachs geht Bekennen „nur ganz“: Beim „Protest“ zeige man sein Gesicht und wofür man stehe. Dies könne etwa „Widerspruch sein, wenn Menschen ausgegrenzt oder zu Sündenböcken für ein verkommenes Stadtbild gemacht
werden“ oder Einspruch gegen autoritäre oder fundamentalistische Weltbilder – aber nicht als moralische Besserwisserei, sondern als Zeugnis „im einladenden Geist des Evangeliums“. (3431/31.10.2025)