Rund 2,8 Millionen Menschen sind allein im Zeitraum von zwölf Jahren aus der DDR geflohen. Die waghalsige Flucht von zwei vierköpfigen Familien 1979 im Heißluftballon zeichnet ein Kinofilm nach, der nun TV-Premiere hat.
Nach Angaben der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sind allein von September 1949 bis August 1961 rund 2,8 Millionen Menschen aus der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) geflohen. Fast 200.000 entkamen dem DDR-Regime bis zur Maueröffnung 1989. Auf abenteuerlichem Weg und unter Lebensgefahr gelang dies auch zwei Familien im selbstgebauten Fesselballon. Der Spielfilm “Ballon” zeichnet das Unterfangen nach. Das Erste strahlt ihn am 3. Oktober in TV-Premiere um 20.15 Uhr aus.
Ob nun im Kofferraum eines umgebauten Trabant oder auf dem Surfbrett nach Dänemark – waghalsige Fluchtversuche gab es damals einige. Einer der sicher spektakulärsten war jener am 16. September 1979, als die Familien Strelzyk und Wetzel mit selbstgebauten Heißluftballons die Grenze zwischen Thüringen und Bayern überflogen. Ihr Weg in die Freiheit sorgte international für Schlagzeilen und wurde zur Demütigung für die Staatssicherheitsbehörden (Stasi) der DDR.
Nachdem sich ein US-Konzern die Rechte gesichert hatte und 1982 “Night Crossing” (“Mit dem Wind nach Westen”) in die Kinos gebracht hatte, machte sich Michael “Bully” Herbig (Buch und Regie) an die erste deutsche Verfilmung. “Für mich lag der Reiz darin, den wahren Ereignissen so nahe wie möglich zu kommen und den Film den heutigen Sehgewohnheiten anzupassen”, sagt Herbig zur Inszenierung seines gelungenen Remakes “Ballon”.
Während vor fünf Jahren 936.000 Besuchende den menschelnden Thriller auf der Leinwand gesehen hatten, werden es nun Millionen am Fernseher sein. Herbig besuchte in seiner fünfjährigen Vorbereitungszeit auch die Familie Strelzyk in der 13.000-Einwohner-Stadt Pößneck (Thüringen), führte lange Gespräche und konnte deren Vertrauen gewinnen. Ebenso Familie Wetzel, die der Autor und Regisseur im oberbayerischen Hof traf. Mit Hilfe beider Familien gelang es zudem, mehr als 2.000 Seiten aus deren Stasi-Akten einzusehen.
In bürgerlichen Verhältnissen baute Elektriker und Wartburg-Fahrer Peter Strelzyk (Friedrich Mücke) zusammen mit seinem Freund, Krankenwagenfahrer Günter Wetzel (David Kross), heimlich einen Heißluftballon. Er sollte ihre beiden Familien in 28 Minuten die 18 Kilometer über die nahe gelegene Grenze zwischen Thüringen und Bayern tragen.
Nachdem der erste Versuch scheitert, löst der erfahrene Oberstleutnant Seidel (Thomas Kretschmann) unverzüglich eine Großfahndung nach den “Republikflüchtlingen” aus, denen drakonische Strafen drohen. Obwohl das Unterfangen dadurch noch gefährlicher wird, müssen die Familien jetzt erst recht fliehen – ein zweiter Versuch ist unumgänglich, mit einem Fesselballon, genäht aus in verschiedenen Städten und in kleinen Mengen bunt zusammen gekauften Stoffteilen …
Bravourös verfilmte “Bully”, der den Mauerfall im Alter von 21 Jahren erlebte, in “Ballon” die wahre Begebenheit. Herbig rückt in seinem hochspannenden Remake den Freiheitsdrang in den Mittelpunkt. Die Dreharbeiten, bei denen besonders auf eine detailgetreue Ausstattung geachtet wurde, fanden in Berlin, Thüringen und Franken statt. Der Ballon – das Original ist im Museum der Bayerische Geschichte in Regensburg ausgestellt – für diesen Film wurde übrigens nicht etwa “bequem” am Computer animiert. Er wurde aus 1.245 Quadratmetern Stoff extra angefertigt – und wenn der Abspann läuft, werden Originalfotos des Fluchtvehikels eingeblendet.