Berthold Vogel begrüßt das politische Engagement von Unternehmen. Zwar sei es bedenklich, wenn sich aus zögerlicher Politik Lücken ergäben, in die Konzerne vorstoßen könnten, sagte der Soziologie-Professor am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Aber grundsätzlich ist es gut, dass Unternehmen Stellung beziehen, Politik ist nicht nur eine Sache von Parlamenten oder Zivilgesellschaft, sondern auch wirtschaftlich aktiver Menschen.“ Rossmann hat eine Kampagne initiiert, in der Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) aufgefordert wird, für ein Handyverbot an Schulen bis zur Oberstufe zu sorgen. Vogel leitet das Soziologische Forschungsinstitut der Universität Göttingen.
Er unterstelle, dass Rossmann aus ernsthafter Sorge um die mentale und psychische Gesundheit von jungen Menschen handle, sagte Vogel. „Sie ist durch Social Media tatsächlich gefährdet, da spricht die Wissenschaft eine klare Sprache.“
Es sei zwar ungewöhnlich, dass Unternehmen sich so deutlich positionierten, sagte der Soziologe. Aber Projekte seines Forschungsinstituts, die sich mit lokalem Zusammenhalt beschäftigten, zeigten deutlich, wie wichtig das Engagement von Firmen, Handwerk und Betrieben vor Ort ist. „Ich denke, deren Stimme sollte hörbar sein, gewiss noch hörbarer, als es heute der Fall ist.“
Klar sei auch, dass Unternehmen nicht die politische Agenda diktieren dürften, nur weil sie die medialen und finanziellen Mittel hätten. Auslöser für die Rossmann-Kampagne sei aber auch eine „geradezu bedrückende Unentschiedenheit der Politik“, zu Vorgaben im Umgang mit dem Handy an Schulen zu kommen.
Vogels Ansicht nach äußert sich Hamburg seit Monaten unentschlossen zu diesem Thema. Sie überlasse den Schulen die Verantwortung, obwohl Lehrkräfte und Psychologen seit vielen Jahren darauf hinweisen, welch negative Folgen Internet- und Medienkonsum haben könnten. „Wundert man sich dann, dass solche Kampagnen von denen angeführt werden, die eigentlich gesellschaftlich nicht damit beauftragt sind?“
Hamburg hat angekündigt, am Donnerstag ein verbindliches Regelwerk zum Umgang mit Smartphones und Smartwatches an Schulen vorzustellen. Die Handlungsempfehlungen sind den Angaben ihres Ministeriums zufolge mit einem Expertengremium erarbeitet worden.