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Sozialforscher: Gefühl von Einsamkeit ist nicht gleich Isolation

Spätestens seit der Corona-Pandemie gilt Einsamkeit hierzulande als großes soziales Problem – auch unter jungen Menschen. Einer der Mitautoren der kürzlich veröffentlichten Shell-Jugendstudie pocht auf Differenzierung.

Junge Menschen fühlen sich vor allem unter bestimmten Umständen einsam: Das betont Sozialforscher Ulrich Schneekloth. Oft gehe es darum, dass “man sich nicht mehr richtig zurechtfindet oder das Gefühl hat, auch im eigenen Freundeskreis nicht mehr richtig verstanden zu werden”, sagte Schneekloth der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”. Der Eindruck, dass alle anderen ähnlich dächten wie man selbst, “ist in spätmodernen Gesellschaften nur noch bedingt zu haben”.

Vielmehr wachse die Anforderung an die Einzelnen, Position zu beziehen – und diese Position immer wieder zu hinterfragen. “Deshalb suchen sich bestimmte Jugendliche Räume und Gruppen, in denen sie sicher sein können, dass alle die gleiche Meinung vertreten.” Dies sei “eine Antwort auf die Herausforderung, mit der Pluralisierung der Lebensstile klarzukommen”, erklärte der Experte.

Schneekloth ist Mitautor der Shell-Jugendstudie, die am Dienstag vorgestellt wurde. “Harte Vereinsamung”, bei der jemand keinerlei Kontakte habe, sei dagegen “ein Problem besonderer Gruppen. Hier ist dringend auch psychotherapeutische Unterstützung notwendig, weil das in der Regel mit depressiven Tendenzen einhergeht”.

Zu einer Gesellschaft der Vielfalt gehörten derweil “auch Tradition und eine Kultur, die andere als altbacken definieren würden”, sagte der Forscher. Manche Jugendlichen seien sehr kosmopolitisch orientiert, andere – gerade im ländlichen Raum – engagierten sich im Schützenverein oder bei der Freiwilligen Feuerwehr. Für letztere hätten beispielsweise Themen wie Mundart eine Bedeutung. “Das betrifft nicht nur ältere Menschen. Das stirbt nicht aus.”

Diese verschiedenen Gruppen ins Gespräch zu bringen, halte er für eine wichtige Aufgabe, so Schneekloth. Es brauche Möglichkeiten für Mitbestimmung und dafür, eigene Vorstellungen zu realisieren. “Abgehängte soziale Gruppen brauchen mehr Chancen. Aber vor allem braucht die Jugend gemeinsamen Optimismus, dass diese Gesellschaft nicht auseinanderläuft, sondern sich vornimmt, Probleme miteinander zu lösen.”