Aachen/Dortmund (epd). Pfarrer Christoph Simonsen ist kein Freund von Geheimniskrämerei – auch dann nicht, wenn es um die Segnung von homosexuellen Paaren geht. «Es heimlich zu machen, wäre Blödsinn, das nähme dem Anliegen der Paare ja die Bedeutung», sagt er knapp. Er selbst weiß am besten, dass seine Gelassenheit nicht selbstverständlich ist: «Oft schicken meine Pfarrer-Kollegen die Paare zu mir nach Aachen. Sie sagen ihnen: Der Simonsen ist da viel geübter.»
Simonsen ist römisch-katholischer Priester. Anders als bei Protestanten, die sich beinahe überall in Deutschland segnen lassen können, ist die Segnung homosexueller Paare in der katholischen Kirche nicht vorgesehen. Das Sakrament der Ehe ist ohnehin Mann und Frau vorbehalten. Gleichgeschlechtlicher Sex gilt zudem als Sünde – und eine Beziehung, zu der schwere Sünde gehört, ist folglich nicht einmal zu segnen.
50 Paare in 15 Jahren
So weit die Theologie. «Es waren ungefähr 50 homosexuelle Paare, die ich in den vergangenen 15 Jahren auf deren Wunsch hin gesegnet habe», berichtet Simonsen. Es waren Paare aus ganz Deutschland, Menschen jeden Alters, mehr Schwule als Lesben, manchmal unterschiedlicher Konfession. «Zuletzt haben mich zwei lesbische Frauen Ende zwanzig und ein schwules Paar Mitte fünfzig um den Segen gebeten.»
Die Segensfeiern für Paare wie sie richtet Simonsen in einer Kirche aus, deren Tür ihnen offensteht. Nicht jeder Pfarrer ist bereit, seine Kirche zu diesem Zweck zur Verfügung zu stellen. Meist findet die Feier am Tag der standesamtlichen Trauung statt, manchmal am Tag darauf. Ein vorgegebenes Ritual für Segensfeiern mit gleichgeschlechtlichen Liebespaaren gibt es nicht. Simonsen liest aus der Bibel, spricht Gebete und die Fürbitte um den Beistand Gottes für sie.
Wenn sie nicht von den Pfarrern ihrer Heimatgemeinden geschickt werden, finden die Paare Simonsen über Mund-zu-Mund-Propaganda oder über das Internet. Manche sind seit kurzem zusammen, andere haben fast das ganze Leben miteinander verbracht. So wie jenes schwule Paar, das ihn in den späten 90er Jahren aufsuchte. Zwei Männer in ihren Siebzigern, sie waren seit 50 Jahren zusammen. Das war das erste Mal, das Simonsen einem homosexuellen Paar den Segen gab. Damals war er noch Krankenhauspfarrer in Mönchengladbach. Heute arbeitet er als Hochschulpfarrer an der Universität Aachen.
Dienstleister gegenüber den Menschen
Auch an der Hochschule ist er dem Bischof unterstellt und muss auch die Leitlinien der Kirche beachten. Aber anders als in einer normalen Pfarrgemeinde gibt es hier weder einen Kirchenvorstand noch einen Pfarrgemeinderat, die ihm Steine in den Weg legen könnten.
Simonsen selbst sieht ohnehin keinen Grund dafür, warum die Segnung homosexueller Paare ein Problem darstellen sollte: «Als Priester verstehe ich mich auch als Dienstleister gegenüber den Menschen. Mit der Segnung bestärke ich Homosexuelle darin, in der Gemeinschaft der Kirche zu bleiben.»
Simonsens Sicht auf die Dinge teilen natürlich längst nicht alle in der katholischen Kirche. Häufig finden die Segnungen inzwischen zwar inoffiziell einfach trotzdem statt, wie es bei der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche heißt. Aber es sind auch Fälle bekannt, in denen die Segnung ein Nachspiel hatte. 2008 etwa entzog der damalige Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst dem Wetzlarer Bezirksdekan wegen der Segnung eines schwulen Paars dieses Amt. Wie häufig derlei Fälle sind, wird nicht zentral erfasst.
In jüngster Zeit aber mehren sich die Zeichen, dass künftig mit mehr Wohlwollen seitens der Bischöfe zu rechnen ist. So sieht es zumindest Siegfried Modenbach, katholischer Priester aus Dortmund.
«Das Denken ändert sich, auch unter Bischöfen, das wurde zuletzt in den vergangenen vier Wochen deutlich», sagt er. Im Januar hatte der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Franz-Josef Bode, eine Debatte über die Segnungen gefordert. Dass sich seither einige Geistliche hinter ihn gestellt haben, macht Modenbach Mut.
Aber es ist auch seine eigene Erfahrung, die Modenbach optimistisch sein lässt. Er selbst hat innerhalb von zehn Jahren zwei homosexuelle Paare gesegnet. Eines der Paare kannte er bereits länger und auch persönlich, das andere hatte ihn in einem seiner Gottesdienste auf der Kanzel erlebt.
Wenn Kollegen von den Segnungen erfahren hätten, hätten sie durchweg positiv reagiert, berichtet Modenbach, der in Dortmund für das Katholische Forum tätig ist. Und auch der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hat sich bisher nicht eingeschaltet – und zumindest davon, dass Modenbach Gottesdienste für schwule und lesbische Menschen anbietet, weiß der Bischof vermutlich.
Dass die Segnungen Konfliktpotential haben, ist dem Priester bewusst. Aber wenn die Paare ihm sagen, dass sie Treue und Verantwortung leben möchten, versteht Modenbach, dass ihnen der Segen etwas bedeutet. Er findet, ihr Anliegen könne man nicht ignorieren.
Und falls es doch zu einem Konflikt kommen sollte, nimmt Modenbach ihn eben in Kauf.