Zu Weihnachten gibt’s Gans und Plätzchen, zu Ostern Lamm und Eier, aber was kommt zu Pfingsten auf den Teller? Ein Regensburger Religionslehrer und ein Konditor wollten die Brauchtumslücke schließen: mit Windbeutelteig.
“Es schmeckt wie Himmel im Mund” – Mit diesem Spruch auf der Schaufensterscheibe wirbt das Traditionscafé “Orlando di Lasso” in Rufweite des Regensburger Doms um Kundschaft. Jedes Jahr um Pfingsten herum darf man diese Verheißung durchaus wörtlich nehmen.
Dann serviert Konditormeister Michael Fuchs seine Spezialkreation “Regensburger Pfingstzungen”: ein nicht ganz handtellergroßes Gebäck auf Basis eines Brandteigs, gefüllt mit Vanillepudding. Die Form und eine gelbrote Glasur verleihen den Zungen ein feuriges Aussehen. Für die nicht jugendfreie Version kommt ein Schuss Rum hinein.
Die Saison ist kurz, produziert wird nur wenige Wochen rund ums Fest, in kleiner Stückzahl. Pfingstzungen sollten tagesfrisch verzehrt werden. Wer von der Rarität kosten will, muss sich sputen. Konservierungsmittel und der Heilige Geist vertragen sich offenbar nicht. Und so stand manch ein Liebhaber, der zu spät kam, schon vor dem leeren Büfett.
22 Jahre ist es nun her, dass Fuchs sich mit seinem mehr als 100 Jahre alten Familienbetrieb einem Wettbewerb stellte: Religionslehrer Josef Braun forderte 2003 mit seiner siebten Klasse die Bäcker der Stadt heraus, eine “Feuerzunge zum Essen” aufs Blech zu zaubern. Sie sollte an die zu Pfingsten gefeierte Herabkunft des Heiligen Geistes erinnern, wie sie in der Bibel beschrieben wird; die Symbolik eines in Vergessenheit geratenen Hochfestes sinnlich erfahrbar machen und eine kulinarische Brauchtumslücke im Kalender schließen.
Ein Teig, wie er sonst für Windbeutel verwendet wird, erschien da passend. “Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen”, heißt es schließlich in der Pfingsterzählung. Der Religionslehrer fand das Rezept genial. Fuchs war dieser Bezug gar nicht bewusst, aber er gewann den Konditor-Contest.
Großes schwebte Braun damals vor: Karlsbad ist berühmt für seine Oblaten, Wien für die Sachertorte, Nürnberg für seine Bratwürste. Warum sollten da nicht auch “Regensburger Pfingstzungen” zu einer neuen, weit über die Grenzen der Oberpfalz hinaus gefragten Spezialität werden?
Anfangs sah es gar nicht mal schlecht aus. Pfarreien orderten das Gebäck für Erstkommunion und Firmung blechweise. Auch an medialer Aufmerksamkeit war kein Mangel. Wo der Transportweg zu weit war, gab Fuchs einfach sein Rezept weiter. Betriebsgeheimnis? Ach was. “Ich fand die Idee reizvoll, das weiter zu verbreiten.” Als die Begeisterung ins Stocken geriet, erzählte er davon in seiner Innung. So nahmen zumindest zeitweise auch Bäcker in München und im Nürnberger Raum das Gebäck in ihr Sortiment auf.
Eines wollte der Schöpfer der Pfingstzungen freilich nicht: Dass sich ein Industrie-Konditor seine Kreation unter den Nagel reißt. Und so ließ er sich die Wortmarke “Regensburger Pfingstzungen” beim Patentamt schützen. Doch als nach zehn Jahren für eine Verlängerung eine drei Mal so hohe Gebühr aufgerufen wurde wie bei der Anmeldung, hat er es wieder bleiben lassen.
Drei Mal so viel wie zur Einführung kostet inzwischen allerdings auch die Pfingstzunge. Die Inflation geht also auch am “Spiritus Sanctus” nicht spurlos vorüber. Fuchs sagt dazu nur, Aufwand und Handarbeit hätten eben ihren Preis.
Und so ist der Heilige Geist in Gestalt dieses Gebäcks keine Massenware geworden. Selbst in guten Jahren gehen nicht mehr als 300 Stück über den Tresen, manchmal muss sich Fuchs aber auch mit zweistelligen Verkaufszahlen begnügen.
Der 59-Jährige nimmt es gelassen. Solange noch ein paar Stammkunden danach fragen, so lange wird ihnen der Chef vom “Orlando di Lasso” Regensburger Pfingstzungen auftischen.