Heide. Der Schleswiger Bischof Gothart Magaard will die touristischen Angebote der Nordkirche weiter ausbauen. “Wir dürfen nicht nur lokal auf die Gemeinde vor Ort schauen. Auch die Gastgeberrolle von Kirchen ist wichtig”, sagte Magaard bei der digitalen Präsentation einer Studie, die die Fachhochschule Westküste gemeinsam mit dem Kirchenkreis Dithmarschen durchgeführt hatte. Demnach spielt die Entschleunigung im Urlaub (“Slow Tourism”) für immer mehr Urlauber eine wichtige Rolle. Bei der bundesweiten Umfrage wurden im September 2019 rund 1.000 Deutsche zwischen 16 und 75 Jahren befragt.
Interesse an kirchennahen Angeboten größer als erwartet
Der Studie zufolge hatten knapp 45 Prozent der Befragten den Wunsch, dass es im Urlaub deutlich langsamer zugehen soll als im Alltag. In der Altersgruppe der 25- bis 44-Jährigen nutzte sogar mehr als die Hälfte die Ferien zur Entschleunigung. Urlauber mit Interesse an kirchennahen Angeboten sind zum Großteil 44 Jahre alt und jünger. “Dieses Ergebnis hat mich sehr überrascht”, sagte Magaard. Bislang sei man stillschweigend davon ausgegangen, dass diese Gruppe sich wenig für Kirche interessiert. Die Studie zeige aber, dass die Kirche sich mit dieser Altersgruppe mehr auseinandersetzen müsse.
Gerade für die Jüngeren drehe sich das Hamsterrad im Alltag besonders schnell, vermutet Magaard. “Ihnen können wir mit unseren Kirchen Räume der Stille und unseren Angeboten zwischen den Meeren eine Unterbrechung des Alltags bieten.” Wichtig sei dabei eine engere Vernetzung der Gemeinden. Es sei doch spannend, wenn Urlauber bei einem Kirchenbesuch auch gleich erfahren, welche Kirchen mit ähnlichem Stil in der näheren Umgebung liegen. Der Bischof unterstrich die große Bedeutung des Konzepts “Offene Kirche”, das bereits in vielen Gemeinden der Nordkirche umgesetzt wird.
Kirche sollte neue, knackige Botschaften senden
Professor Christian Antz von der Fachhochschule Westküste warnte die Kirche davor, sich zu verbiegen und den Urlaubern hinterherzulaufen. Zielgruppen seien heute nicht mehr leicht zu definieren. So gebe es alte Menschen, die junge Ansprüche haben und umgekehrt. “Die Kirche sollte sich auf ihre Botschaft besinnen und sie neu und knackig verpacken.” Als positives Beispiel nannte Antz den ökumenischen Verein “Andere Zeiten” in Hamburg, der seit 25 Jahren einen spirituellen Adventskalender herausgibt mit einer Auflage von mittlerweile mehr als einer halben Million.
Der Tourismusexperte der Nordkirche, Ulrich Schmidt, erklärte, eine digitale Kirchen-App sei in Arbeit. Sie soll Urlaubern Auskunft geben über Kirchen in der näheren Umgebung und ihre Öffnungszeiten. “Vielleicht speisen wir auch noch Veranstaltungen der Kirchengemeinden ein. Aber vermutlich haben Plakate mit einzelnen Veranstaltungen mehr Wirkung als eine Angebotsfülle in einer App”, so Schmidt.
Ausbau digitaler Angebote weiter ausbauen
Auch Bischof Magaard hält den Ausbau von digitalen Angeboten für wichtig. Während der Corona-Krise habe er beobachtet, dass Touristen Zuhause an digitalen Angeboten ihrer Urlaubergemeinde teilnahmen. “Das ist natürlich eine tolle Möglichkeit, über den Urlaub hinaus mit Gästen in Kontakt zu bleiben.” Dennoch setzt der Bischof auch weiter auf analoge Werbung mit Flyern und Plakaten. “Ich könnte mir vorstellen, dass es über alle Altersgrenzen hinweg ein Trend wird, die Digitalität im Urlaub zu unterbrechen.”
Der Studie zufolge haben mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Deutschen in ihrem jüngsten Urlaub kirchlich organisierte Angebote genutzt. Viele Gemeinden an Nord- und Ostsee haben sich bereits mit der Urlauberseelsorge auf Gäste eingestellt. Dazu gehören offene Kirchen, Freiluftgottesdienste, Orgelkonzerte, “Atempausen am Meer”, historische Seefahrerfriedhöfe und Bibelgärten. (epd)