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Sexualisierte Gewalt: Hessen-nassauische Synode hört Betroffenen zu

„Wir sind offensichtlich nicht die Kirche, die wir sein wollen“, diese Aussage stand am Beginn der Frühjahrssynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) in Frankfurt am Main. Nach der Veröffentlichung der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland im Januar beschäftigten sich die Kirchensynodalen mit dem Thema. Ein weiterer Schwerpunkt der dreitägigen Synode war der Entwurf für ein Klimaschutzgesetz.

„Ein Trauma endet nicht mit der Tat, es beginnt erst dann“, hörten die Synodalen aus dem Bericht eines von sexualisierter Gewalt Betroffenen im Eröffnungsgottesdienst. „Noch Jahre später spüre ich die Folgen“: Schlaflosigkeit, Flashbacks (plötzliches Wiedererleben), Angst, Ohnmacht. „Die Schuld landete nicht beim Täter, sondern bei mir.“

Kirchenpräsident Volker Jung griff das Thema in seinem Bericht vor der Synode auf: „Es ist beschämend zu sehen, dass wir schuldig geworden sind“, sagte er. „Eine Kirche darf nicht hinnehmen, wenn verantwortungslose Personen die Kirche mit ihren Orten und Ämtern nutzen, um Taten zu begehen, die Menschen an Leib und Seele verletzen.“ In vertraulichen Arbeitsgruppen hörten die Synodalen einigen Betroffenen zu.

In seinem Bericht ging Jung auf das Treffen von AfD-Vertretern und Rechtsextremisten in Potsdam im vergangenen Herbst ein. Die Kirche setze sich „klar für unsere Demokratie und gegen jede Form von Diskriminierung“ ein, sagte er. Jung bezeichnete die AfD als „rechtsextrem“. Ein grundsätzlicher Beschluss zum Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus kirchlichen Ämtern sei zurzeit jedoch nicht sinnvoll. „Völlig klar ist allerdings, dass die Unvereinbarkeit festgestellt werden muss, wenn Menschen mit rechtsextremen Parolen offen rassistisch und antisemitisch agieren.“

Gegen Rechtsextremismus wandte sich auch die Synode mit ihrer einstimmig beschlossenen Resolution „für Demokratie, Vielfalt und Menschenwürde – gegen Rechtspopulismus“. Darin ruft sie Wählerinnen und Wähler auf, nicht für eine Partei zu stimmen, die Menschen diskriminiert und ausgrenzt. „Völkischer Nationalismus“ sei mit einem christlichen Gottes- und Menschenbild nicht vereinbar.

Scharfe Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik übte der Interkulturelle Beauftragte der EKHN, Pfarrer Andreas Lipsch. „Was wir zurzeit erleben, ist ein historischer Tiefpunkt des Flüchtlingsschutzes in Europa“, sagte er während einer aktuellen Stunde zum Thema Kirchenasyl. Lipsch bezog sich auch auf die jüngste Asylrechtsreform, die unter anderem Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen vorsieht. Nach Angaben der EKHN befinden sich aktuell 47 Erwachsene und 7 Kinder im Kirchenasyl in der EKHN.

Eine Positionsbestimmung beschäftigte die Synodalen auch beim Klima: Die EKHN will klimaneutral werden. Dazu hat die Synode ein Klimaschutzgesetz beraten, dessen Ziel die Treibhausgasneutralität der Kirche bis Ende 2045 ist. Ausgehend von den Emissionen vom 1. Januar 2005 in Höhe von knapp 104.000 Tonnen CO2 sollen die Emissionen laut Entwurf bis Dezember 2035 um 90 Prozent verringert und in den folgenden Jahren um jeweils einen weiteren Prozentpunkt reduziert werden.

Zahlreiche Synodale sprachen sich für Änderungen an dem Gesetzentwurf aus. Unter anderem wurde angeregt, das Basisjahr 2024 zugrunde zu legen, um 2035 bereits bei einem niedrigeren Ausstoß anzukommen. Allein im Bereich Gebäude sei für den Klimaschutz von Kosten in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro auszugehen, hieß es. Einige Synodale befürchteten, dass die Landeskirche und die Gemeinden mit den Kosten überfordert sein könnten.