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Selbstbewusst vor der Kamera

Ihre Themen reichen von Hobbys bis Bundestagswahl, die kurzen Videos sind manchmal lustig, manchmal sehr ernst. Die „Normalos“ – so nennen sich die Inklusivreporter der Lebenshilfe Gießen. Menschen mit und ohne Behinderung berichten gemeinsam auf Instagram über Diskriminierung oder Barrieren, mit denen sie zu tun haben. 2022 startete ein kleines Team mit den Videos. Am Dienstagnachmittag bekommen die „Normalos“ im Wiesbadener Rathaus einen mit 1.500 Euro dotierten Anerkennungspreis des Hessischen Sozialpreises 2025. Die „Normalos“ setzten sich „für mehr Sichtbarkeit, Begegnung und Teilhabe ein“, teilte die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen mit.

Justus Bode, das jüngste Redaktionsmitglied, ist auch privat viel in den sozialen Medien unterwegs. Er schreibt und recherchiert gern und möchte Journalist werden. In einer Lokalredaktion absolvierte er bereits ein Praktikum. „Es gibt Sachen, die von der Politik gesagt werden und die wir nicht so gut finden“, erklärt der 22-Jährige seine Motivation. Die Redaktion bespricht ihre Themen in den Donnerstags-Sitzungen und dreht dann Videos dazu.

„Menschen mit Behinderung sind in den Sozialen Medien unterrepräsentiert“, verdeutlicht die Redaktionsleiterin der „Normalos“, Jasmin Mosel. Es werde zwar viel über sie geredet, doch kämen sie selbst kaum zu Wort mit den Themen, die sie bewegen. Das war der Grund, die Menschen mit Beeinträchtigungen zunächst auf der Internetseite der Gießener Lebenshilfe und später dann auf einem eigenen Instagram-Account selbst berichten zu lassen.

Mittlerweile haben die Inklusivreporter 3.300 Follower. Ein Großteil seien Menschen ohne Behinderungen, die etwas über Menschen mit Behinderungen erfahren wollen, sagt Jasmin Mosel, die in der Unternehmenskommunikation der Lebenshilfe arbeitet. Die „Normalos“ hätten sich ihren Namen selbst ausgesucht nach dem Motto: „Wer oder was ist schon normal?“

Die Reporter gehen auch auf Pressekonferenzen oder Veranstaltungen und berichten darüber. Kürzlich besuchten sie die Gedenkstätte Hadamar. Die „Omas gegen Rechts“ kamen zum Interview in die Redaktion.

Jasmin Mosel erzählt, dass die Mitglieder sich viel mehr als früher trauten, ihre Meinung zu vertreten. „Es ist toll, welche Entwicklung sie durchlaufen haben.“ Julian Heidinger zum Beispiel macht Fotos und spricht die Begrüßungsvideos. „Ich bin inzwischen viel selbstsicherer vor der Kamera.“ Der 29-Jährige berichtet gern über sein Hobby Sport: Er liebt es, neue Sportarten auszuprobieren, aktuell das Paddeln in einem Gießener Kanu-Verein.

Julian Heidinger arbeitet in der elektronischen Archivierung. Die Arbeitssituation, die Schwierigkeiten auf dem Ersten Arbeitsmarkt gehörten zu den Dingen, die die Reporter stark beschäftigen, sagt Mosel. „Die Themen werden uns nicht ausgehen.“ Nach der Preisverleihung steht demnächst ein Besuch im Bundestag an – natürlich mit Berichterstattung.