Artikel teilen

Schleichende Annexion

UK 5/2018, Nahostkonflikt (Seite 2: „Land der Verzweiflung“; Kommentar Seite 5: „Ratlos“)
Vor einem Jahr hatte ich auf Einladung der Nahost-Initiative Bielefeld im Haus der evangelischen Kirche über dasselbe Thema wie Ex-Präses Manfred Kock gesprochen. Der Autor des Kommentars fragt: „Wer hat Recht in diesem Jahrzehnte alten Drama aus Gewalt, Selbstbehauptung, Unterdrückung und Uneinsichtigkeit?“ Die Antwort ist sehr einfach, wenn wir uns an den Menschenrechten und dem Völkerrecht orientieren, wie es das Grundgesetz in den Artikeln 1 und 25 fordert.
Israel hält seit 50 Jahren völkerrechtswidrig die palästinensischen Gebiete besetzt und  durch den Bau der illegalen Siedlungen schafft es eine schleichende Annexion. Israel hat Dutzende  völkerrechtlich verbindliche Resolutionen des UN-Sicherheitsrats missachtet, zuletzt die vom Dezember 2016. Der UN-Menschenrechtsrat, Amnesty International, Unicef und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz werfen Israel außerdem  schwere Verstöße gegen die Menschenrechte vor.
Ein pragmatischer Ansatz, den der Kommentator fordert, heißt für mich: Die Besatzungs- und Annexionsmacht muss diese Menschenrechtsverletzungen beenden und den sechs Millionen Palästinensern zwischen Mittelmeer und Jordan die gleichen Rechte zugestehen, die sie sechs Millionen jüdischen Bürgern zusichert. Die Kirche, die sonst stets auf die Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrecht besteht, darf sich den Blick nicht vom jüdisch-christlichen Dialog vernebeln lassen. Sonst geschieht das, was der Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu einmal gesagt hat: „Wenn du dich in einer Situation der Unterdrückung neutral verhältst, hast du dich auf die Seite des Unterdrückers gestellt.“
Dr. theol. Martin Breidert, Bad Honnef