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Schicksale aus der Keller-Zelle

Es waren schwere Zeiten, die die Insassinnen der Arbeitsanstalt Brauweiler in den Keller-Zellen des sogenannten Frauenhauses verbrachten. „Furchtbare Nächte einsam zu liegen, wenn draußen die Fledermäuse fliegen“, dichtete eine unbekannte Gefangene in den 40er Jahren. „Doch in den Augen leuchtet mein Morgenrot“, sprach sie sich Mut zu. Diese und Hunderte weitere Inschriften finden sich in den früheren Zellen, die seit 2008 Teil der Gedenkstätte Brauweiler des LVR sind. In der neu konzipierten Dauerausstellung sind sie nun entziffert und wieder lesbar gemacht geworden.

Die Gedenkstätte im LVR-Kulturzentrum der Abtei Brauweiler dokumentiert die Zeit von 1933 bis 1945 in der ehemaligen Arbeitsanstalt, die den Nationalsozialisten als Konzentrationslager und Gestapo-Gefängnis diente. Nach knapp einjähriger Umbauzeit präsentiert sich die Gedenkstätte mit einem neuen Konzept, das die Schicksale früherer Insassen noch deutlicher sichtbar macht. Bislang sei die Ausstellung zudem nur zu bestimmten Terminen mit Führungen zu sehen gewesen, sagt Projektleiterin Christine Hartmann. Nun ist sie außer montags täglich geöffnet.

Wandtexte und Fotos und ermöglichen auch eine Besichtigung im Alleingang. Dazu gibt es einen Medien-Guide, der mit dem Smartphone abgerufen werden kann. Er bietet zusätzliche Videoaufnahmen, Fotos und Zeitzeugenaussagen. Zudem trägt die Ausstellung dem Umstand Rechnung, dass viele ehemalige Gefangene aus Polen oder Frankreich stammten. Der Medien-Guide bietet die Übersetzung der Texte in die beiden Sprachen. Die Wandtexte sind auch ins Englische übersetzt.

Anlass für die Erneuerung der Dauerausstellung ist das 1.000-jährige Bestehen der Abtei Brauweiler. Die 2008 eröffnete Gedenkstätte befindet sich im Keller des 1864 erbauten sogenannten Frauenhauses der ehemaligen Arbeitsanstalt Brauweiler. Um die Ausstellung mehr Menschen zugänglich machen zu können, mussten unter anderem Fluchtwege geschaffen und ein Aufzug eingebaut werden.

Dabei sei im Sinne des Denkmalschutzes darauf geachtet worden, so wenig wie möglich zu verändern, betonte Barbara Kaulhausen, Abteilungsleiterin für Baumaßnahmen beim LVR. Die Fläche der Gedenkstätte habe auf 340 Quadratmeter verdoppelt werden können, indem unter anderem ehemalige Waschräume einbezogen worden seien. Dadurch gibt es nun neue Räume für Wechselausstellungen und museumspädagogische Arbeit. Zwei Drittel der Gesamtkosten von 285.000 Euro übernahm laut LVR die Landeszentrale für politische Bildung NRW. Den Rest sei aus Eigenmitteln und durch die LVR-Museumsförderung finanziert worden.

Die Ausstellung beleuchtet die Geschehnisse in Brauweiler während der Jahre des Nationalsozialismus. Die Geschichte der Arbeitsanstalt reicht aber in das Jahr 1809 zurück, als in der säkularisierten Abtei ein „Bettlerdepot“ eingerichtet wurde, in dem Obdachlose zum Arbeitsdienst herangezogen wurden. Später entwickelte sich Brauweiler zu einer der größten „Besserungsanstalten“ des Deutschen Reiches, wo neben Kleinkriminellen Menschen sozialer Randgruppen einsaßen.

Die Nationalsozialisten tauschten kurz nach ihrer Machtübernahme 1933 den Anstaltsdirektor aus. Zunächst wurden hier Menschen untergebracht, die ohne richterlichen Beschluss in sogenannte „Schutzhaft“ genommen wurden. Das waren vor allem politische Gegner der Nationalsozialisten sowie Juden. Darunter war etwa Luise Klesper, die sich nach der Machtergreifung Adolf Hitlers in Remscheid dem kommunistischen Untergrund angeschlossen hatte. Am 13. Oktober wurde sie verhaftet und nach Brauweiler gebracht.

Ihr Schicksal ist in einem der Ringbücher in den Ausstellungsräumen nachzulesen, die Insassinnen der beklemmenden Kellerräume lebendig werden lassen. Darunter war auch Gussie Adenauer, Ehefrau des späteren ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer, der ebenfalls zwei Monate in Brauweiler inhaftiert war. In den Kriegsjahren wurden in Brauweiler Mitglieder verschiedener Widerstandsgruppen inhaftiert, darunter auch Jugendliche. Auch Zwangsarbeiterinnen wurden hier untergebracht, vor allem Osteuropäerinnen. Viele starben an den Folgen der unmenschlichen Bedingungen oder begingen Selbstmord.

Die Forschungsarbeiten zu der ehemaligen Arbeitsanstalt gingen unvermindert weiter, sagt Hartmann. Mittlerweile konnten mehr als 1.600 ehemalige Inhaftierte ermittelt werden. In einem Gedenkraum werden ihre Namen an eine Wand projiziert und dabei von Schülerinnen und Schülern ausgesprochen. Doch es seien noch viel mehr gewesen, ist Hartmann sicher.