Begleitet von lautstarkem Protest hat die Politikerin Sahra Wagenknecht am Donnerstagabend im Neujahrsgottesdienst der evangelischen Johannes-der-Täufer-Kirchengemeinde in Hannover-Wettbergen gesprochen. Rund 20 demonstrierende Gemeindemitglieder empfingen Wagenknecht mit Buhrufen und beschimpften sie als „Putinfreundin“ und „Menschenfeindin“.
„Wir wollen nicht, dass ein Gottesdienst für Propaganda missbraucht wird“, sagte der Initiator der Demonstration. Wagenknecht wolle die Ukrainer „Putin zum Fraß vorwerfen“, sagte er. Überhaupt sei er gegen politische Kontroversen in seiner Gemeinde. „Das ist eine Kirche, da sollte man solche Sachen raushalten.“ Einige Gemeindemitglieder wollten aus Wut über die Veranstaltung aus der Kirche austreten.
Wagenknecht: „Wir müssen ganz schnell zu einem Waffenstillstand kommen“
In der Kirche und bei der anschließenden Aussprache im Gemeindehaus begegneten die Gottesdienstteilnehmer Wagenknecht hingegen mit offensichtlichem Wohlwollen und Interesse. Auch kritische Fragensteller äußerten sich respektvoll gegenüber der Vorsitzenden der neu gegründeten Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Pfarrer Friedhelm Harms, der Wagenknecht eingeladen hatte, und die Kirchenvorstandsvorsitzende äußerten sich am Ende der Aussprache froh und erleichtert über den aus ihrer Sicht gelungenen Austausch.
In ihrer Rede sprach Wagenknecht über den Ukrainekrieg und über den sozialen Zusammenhalt in Deutschland. Die Politikerin sprach sich erneut vehement für eine Beendigung des Krieges auf dem Verhandlungsweg aus. „Wir müssen ganz schnell zu einem Waffenstillstand kommen, auch um der Menschen in der Ukraine willen.“ Angesichts des Grauens und des Leids durch den Krieg werde ihr „richtig übel“. „Wir müssen friedenstüchtig werden“, sagte sie.
Superintendentin Antje Marklein distanzierte sich von der Veranstaltung
Zudem forderte Wagenknecht größere politische Anstrengungen für den sozialen Zusammenhalt. Die Ungleichheit wachse seit Jahren, zugleich drifteten die Milieus auseinander, die Aufstiegschancen würden geringer. In sozialer Hinsicht drohten „amerikanische Verhältnisse“.
Mit der Einladung der umstrittenen Politikerin hatte die evangelische Gemeinde Wettbergen für großes Aufsehen gesorgt. Die Kirche müsse „Räume für faire und offene Debatten“ öffnen, sagte Pastor Harms. Seine Dienstvorgesetzte, Superintendentin Antje Marklein, distanzierte sich indes von der Veranstaltung. Einige von Wagenknechts Positionen widersprächen dem christlichen Menschenbild.
Die Gemeinde Wettbergen lädt seit Mitte der 1970er Jahre prominente Laien als Redner zu ihrem Neujahrsgottesdienst ein. Unter anderen waren bereits Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), Gregor Gysi (Linke) oder der Extremismusforscher Ahmad Mansour zu Gast.