In Sachen Migration drückt die Regierung aufs Tempo. Schon am Mittwoch soll das Kabinett zwei Gesetzentwürfe auf den Weg bringen. Experten bewerten die Vorhaben unterschiedlich.
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) begrüßt die geplante Abschaffung der Einbürgerung nach drei Jahren. “Die Rücknahme der ‘Turbo-Einbürgerungen’ hält der SVR für sinnvoll, weil damit der Eindruck eines zu leichten Zugangs zur deutschen Staatsangehörigkeit korrigiert wird”, sagte der Vorsitzende Winfried Kluth der “Rheinischen Post” (Mittwoch).
Die aktuelle Regelung habe dazu geführt, “dass eine Einbürgerung schneller erfolgen kann als der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts. Das ist kaum zu vermitteln und entspricht nicht der Bedeutung des Staatsangehörigkeitsrechts”, fügte der Migrationsrechtler hinzu.
Die Ampel-Regierung hatte die beschleunigte Einbürgerung nach drei Jahren für besonders integrierte Zuwanderer 2024 eingeführt. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einem Irrweg: “Die deutsche Staatsbürgerschaft muss am Ende eines Integrationsprozesses stehen – und nicht am Anfang.”
Kritischer äußerte sich SVR-Chef Kluth zur geplanten Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten. Die menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben würden dies zwar grundsätzlich ermöglichen. Doch müsse “stärker als dies im bisher bekannten Entwurf der Fall ist, auf Fälle Rücksicht genommen werden, in denen die Antragsteller schon länger auf die Bescheidung ihrer Anträge warten, so dass es zu deutlich längeren Gesamtwartezeiten kommen kann, die dann problematisch wären”.
Es sei unklar, ob diese Fälle über die vorgesehenen Ausnahmeklauseln erfasst werden könnten, so Kluth weiter: “Zudem sollte der positive Effekt des Familiennachzugs auf die Integration nicht vernachlässigt werden.”
Dobrindt will am Mittwoch zwei Gesetzentwürfe zur Aussetzung des Familiennachzugs sowie zur Abschaffung der beschleunigten Einbürgerung ins Kabinett einbringen. Insbesondere die Aussetzung des Familiennachzugs sorgt für viel Kritik – von Opposition, Flüchtlingsorganisationen und Kirchen.
Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten – das sind etwa Bürgerkriegsflüchtlinge – zunächst für zwei Jahre auszusetzen. Härtefälle sollten ausgenommen werden. Bislang war der Nachzug zu dieser Gruppe bereits auf bis zu 1.000 Menschen pro Monat beschränkt. In den vergangenen beiden Jahren war das Kontingent jeweils ausgeschöpft worden.
Die Kirchen lehnen den angekündigten Stopp ab. In der Folge müssten Bürgerkriegsflüchtlinge längere Zeit getrennt von ihren engsten Familienmitgliedern leben. Das sei ethisch überaus fragwürdig und wirke sich auch negativ auf die Integration aus, sagte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (Dienstag).
Das Grundgesetz stelle die Familie unter besonderen Schutz, ergänzte der katholische Flüchtlingsbischof: “Dieses Schutzversprechen gilt für alle Familien in unserem Land – auch für schutzsuchende Familien.” Ähnlich äußerte sich der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Christian Stäblein, der großzügige Regelungen beim Familiennachzug forderte.