Antisemitismus ist in Deutschland ein hochgradig aktuelles Problem, mahnt der Soziologe Gert Pickel. Der Nahost-Krieg habe sehr stark mobilisierend gewirkt. Judenhass würde aber auch nach einem Friedensschluss bleiben.
Antisemitismus ist laut dem Religionssoziologen Gert Pickel schon lange Normalität und faktisch immer in der Gesellschaft präsent. “In Deutschland haben nicht wenige Antisemitismus zu lange auf den Nationalsozialismus und den Holocaust beschränkt und in gewisser Hinsicht historisiert”, sagte er am Mittwoch in Leipzig. “Aber es ist eben ein hochgradig gegenwärtiges Problem.” Am 27. Januar wird international der Holocaust-Opfer gedacht und an die Befreiung der Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren erinnert.
Die aktuelle Entwicklung zeige die Vielfalt der Gruppen, die für Antisemitismus anfällig seien. “Sie werden aktuell sichtbar. Was nicht heißen soll, dass sie davor nicht schon da waren”, so Pickel, der auch Antisemitismus-Beauftragter der Universität Leipzig ist.
Mit Blick auf den Krieg in Nahost sagte er: “Diese Auswirkungen von gewalttätigen Auseinandersetzungen in Israel wirken nicht zum ersten Mal, aber vielleicht am bislang stärksten mobilisierend für Antisemitismus in Deutschland.” Pickel vermutet: “Erst wenn sich die Situation dauerhaft entspannt, dürfte auch in Deutschland die Motivation zur Positionierung – und damit auch antisemitische Äußerungen – nachlassen.” Das bedeute aber nicht, dass die Einstellungen verschwänden. “Es wäre falsch zu denken, dann erledigt sich der Kampf gegen Antisemitismus.”