Die USA galten anders als andere westliche Industriegesellschaften lange als tiefreligiöses Land. Eine neue Studie zeigt aber, dass sich das Schwinden der religiösen Prägung stark beschleunigt hat.
Fast drei von zehn US-Amerikanern haben sich von ihren Kirchen verabschiedet. Sie wechseln nicht zu einer anderen Glaubensgemeinschaft, sondern schließen sich der Gruppe der Religionslosen an. Die “Nones” sind religiös gesehen die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe in den USA. Es gibt von ihnen mehr als Katholiken (23 Prozent) oder Evangelikale (24 Prozent). Nur wenn man alle Protestanten zusammen nimmt, ist diese Gruppe mit mehr als 40 Prozent größer.
Zu diesem Ergebnis kommt eine umfangreiche Untersuchung zu den “Nones”, die das Pew Research Center in Washington jetzt unter dem Titel “Religious Nones in America: Who they are and what they believe” vorgelegt hat. Demnach werden die Religionslosen “God’s Own Country”, als das sich die USA immer sahen, nachhaltig verändern. Das Land prescht damit nicht vorneweg, sondern wird anderen westlichen Industrienationen immer ähnlicher, so der Befund auf Basis von mehr als 11.000 Interviews. Die gesellschaftlichen Realitäten entsprechen damit nicht mehr dem alten Klischee der frommen USA.
Anders als bei früheren PEW-Erhebungen, bei denen der Schwund der christlichen US-Kirchen im Vordergrund stand, liefert die aktuelle Studie Details zum Selbstverständnis der “Nones”. US-Religionsforscher fassen unter dem Begriff Atheisten, Agnostiker und die, die sich als “nichts Bestimmtes” verstehen, zusammen. Sie sind vorwiegend jung, divers und definieren sich politisch eher als linksliberal.
Noch vor 50 Jahren bildeten die Religionslosen mit nur fünf Prozent eine marginale Gruppe. Seither ist sie um ein Vielfaches gewachsen. Die neuesten Daten lassen auch Rückschlüsse auf den Bildungsgrad der heterogenen Gruppe zu. Demnach sind die 17 Prozent Atheisten und 20 Prozent Agnostiker im Durchschnitt besser gebildet als die Mehrheit der “Nones”, die angeben, “nichts Besonderes” zu sein. PEW kommt zu dem Schluss, dass Atheisten und Agnostiker tendenziell politisch gemäßigter sind und weniger feindlich über fremde Religionen denken.
Die säkularen Amerikaner sind trotz ihrer Abkehr von den großen Kirchen gegenüber Religionen nicht automatisch ablehnend eingestellt. Fast sechs von zehn geben an, neben dem biblischen Gott an “eine höhere Macht” zu glauben. Deutlich mehr als acht von zehn “Nones” sind davon überzeugt, dass man auch ohne Gottglauben moralisch integer sein kann. Zwar besucht kaum einer von ihnen einen Gottesdienst, aber die Hälfte gibt an, spirituell veranlagt zu sein.
Die PEW-Forscher fanden zudem heraus, dass die Religionslosen wissenschaftlichen Erkenntnissen positiver gegenüberstehen als Menschen, die sich mit einer Religion identifizieren. Dagegen fördert die Studie nur wenig Markantes über das gesellschaftliche Engagement der “Nones” zutage. Es ähnelt dem von Kirchenmitgliedern. Laut PEW wird damit die These entkräftet, wonach Säkularisierung zu weniger sozialem Engagement führt.
Die schnell wachsende Gruppe der säkularen Amerikaner könnte das öffentliche Leben langfristig verändern, so der leitende Forscher der Studie, Gregory Smith. Zumal der Trend in auffälligem Kontrast zum gewachsenen Einfluss der Religion in der Politik steht. Mit dem Republikaner Mike Johnson steht ein christlicher Hardliner als Sprecher an der Spitze des US-Kongresses. Seine Positionen zu gesellschaftlichen Großthemen stehen in krassem Gegensatz zu den Werten der “Nones”. Johnson bildet die Speerspitze der christlichen Rechten, die über beträchtlichen Einfluss in Washington verfügen.
Fest steht aber: Das Leitmotiv der USA “In God we Trust” (Wir vertrauen auf Gott), das auf jeder Dollarnote steht, spiegelt eher das alte Amerika und weniger die Gegenwart wider. Das könnte bei den Wahlen im November nach Ansicht von PEW-Forscher Smith Konsequenzen haben. Denn die “Nones” seien die “konsequenteste Wählergruppe der Demokraten”.
Gespeist wird der Zulauf bei den Religionslosen durch die “Generation Z”. Die unter 25-Jährigen sind nach einer Analyse des Public Religion Research Institute ethnisch die vielfältigste US-Generation. Sie haben mit älteren, männlichen und weißen Sozialkonservativen aus Trumps Wählerreservoir nur wenig am Hut. Wie die “Nones” stehen deren Zugehörige mehrheitlich für einen straffreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, eine klare Trennung von Kirche und Staat, mehr Rechte für sexuelle Minderheiten und Klimaschutz – ein Gegenentwurf zu Trumps Republikanern.