Das renommierte Hamburger Institut für Sozialforschung soll nach mehr als 40 Jahren geschlossen werden. Es werde 2028 seine Arbeit einstellen, teilten Gründer Jan Philipp Reemtsma und Direktor Wolfgang Knöbl am Montag in Hamburg mit. Sie begründen diesen Schritt mit Reemtsmas Alter von 71 Jahren. Die Übernahme durch eine andere Institution schließen sie aus.
Reemtsma hatte das Institut 1984 gegründet. Es beruht auf einer gemeinnützigen Stiftung und wurde größtenteils aus dem Privatvermögen des Literatur- und Sozialwissenschaftlers finanziert. Zunächst hatte Reemtsma auch die Leitung inne, bis er sie 2015 dem Soziologen Knöbl übertrug. Als Vorsitzender des Stiftungsrats entscheidet er jedoch weiterhin über den Etat.
Knöbl werde 2028 mit seinem 65. Geburtstag seine Arbeit für das Institut beenden, heißt es in der Mitteilung. Die Fortführung des Modells, in dem Reemtsma dem Stiftungsrat vorsitzt und ein Direktor die Forschungspolitik festlegt, sei dann für Reemtsma aus Altersgründen nicht mehr möglich. Bei Übernahme durch eine andere Institution verlöre das Institut seine Stärke, nämlich unabhängig die eigene Agenda zu schreiben. Deshalb werde die Arbeit in vier Jahren eingestellt. Das gelte auch für den hauseigenen Verlag, die “Hamburger Edition” und die Zeitschrift “Mittelweg 36”.
In dem Institut forschen Historiker, Soziologen, Politologen und Philosophen zu sozialwissenschaftlichen Themen. Bibliothek und Archiv sind auch der Öffentlichkeit zugänglich.
Einem breiten Publikum wurde die Einrichtung durch ihre beiden Ausstellungen über die Verbrechen der Wehrmacht bekannt. Zwischen 1999 und 2004 sahen über eine Million Besucher an mehr als 40 Orten die Ausstellungen. Aktuell beschäftigt sich das Institut eigenen Angaben zufolge mit Gewaltforschung, dem Verhältnis von Staatlichkeit und Demokratie insbesondere im Süden Europas sowie mit Spezifika des gegenwärtigen Kapitalismus.